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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Fleischerbeile mit lärmender Geschicklichkeit.
    Im Zeitungskiosk, in dem der geschäftige, bebrillte Mr. Lennox das Sagen hatte, war immer am meisten los. Er öffnete jeden Tag als Erster von allen, damit die Leute ihre mit dem Nachtzug aus Sydney eingetroffenen Zeitungen holen konnten. Im Zeitungskiosk kauften sie auch ihre Lotterielose. Hier fanden sich Nachbarn und Bekannte ein, gaben ihre Kommentare zu den Zeitungsschlagzeilen ab, tauschten Klatsch und Tratsch aus oder redeten über die Trockenheit und den dringend benötigten Regen.
    Die Jugend des Ortes traf sich im Athena Café, trank schäumende Milchshakes aus Metallbechern oder löffelte Eis vom Boden ihrer
spider
– hoher Gläser, gefüllt mit sprudelnder Brause. Die ständig lächelnden Wirtsleute Mr. und Mrs. Spiros kochten auf einer zischenden Elektroplatte und stillten den Bedarf an Hamburgern, Rissolen, Speck- und Eierbrötchen und Steaksandwiches. Am Abend waren sie die Letzten, die das Eisengitter vor ihre verschlossenen Türen zogen.
    Kleinere Läden wurden eröffnet und schlossen wieder, wechselten von einem Besitzer zum anderen, fast alle kamen von außerhalb der Stadt. Am anderen Ende der Hauptstraße, in der Nähe des Kriegerdenkmals, befand sich eine Tankstelle mit Autowerkstatt. Dort konnte man ebenfalls Saatgut und Korn kaufen. Daneben, von der Werkstatt getrennt durch eine Koppel, auf der zwei alte Clydesdale-Pferde ihr Gnadenbrot bekamen, kämpfte die Schmiede, in der noch Pferde beschlagen wurden, gegen die Konkurrenz der modernen, motorbetriebenen Landmaschinen an.
    Das Gemeindehaus und das Rathaus waren in soliden, altmodischen Backsteingebäuden hinter dem Park untergebracht. Weiter unten an der Straße stand das weiß gestrichene Schulhaus mit den vor kurzem angebauten neuen Klassenräumen. Ein Maschendrahtzaun grenzte den Schulhof ein, auf dem mehrere Pferde angebunden waren, die zum Ritt in die Schule benutzt wurden, und treue Hunde darauf warteten, dass ihre Besitzer um drei Uhr nachmittags aus der Schule kamen.
    Die Isobel Street endete schließlich am Fluss, wo Fahrzeuge mit einer kleinen Fähre übergesetzt wurden. An seinen Ufern entlang zog sich ein mehr als zweieinhalb Quadratkilometer großer Streifen dichter Regenwald, der »der Busch« genannt wurde, bis zu den Hügeln im Hinterland. Odette hatte diesen schattigen Rückzugsort, durch dessen Blätterdach nur wenig Licht drang, schon bald entdeckt und lieben gelernt. Die Wurzeln der hohen Feigenbäume bildeten Höhlen so groß wie Zimmer und boten ein nach vermoderten Blättern riechendes Versteck. Luftwurzeln und Ranken hingen wie dicke Seile von den Ästen und streckten sich der federnden, feuchten Erde entgegen. Hier im Wald wurde sie an den heimlich genossenen Frieden und das Geheimnis von Zanana erinnert.
    Der Busch beherbergte viele Tierarten, von denen kaum etwas zu merken war, mit der lautstarken Ausnahme einer Unzahl von Flughunden, die wegen ihrer rasiermesserscharfen Zähne und Klauen auch als fliegende Füchse bekannt waren. Während des Tages hingen sie mit dem Kopf nach unten, eingehüllt in die Samtcapes ihrer Flügel, wie eine reiche Ernte dunkler reifer Früchte. In der Dämmerung erhoben sie sich in einer kreischenden Wolke und fielen über die Obstbäume in meilenweitem Umkreis her.
     
    Odette trottete von der Schule nach Hause. Es war sehr heiß. Sie wünschte, sie hätte ihr Fahrrad mitnehmen können, aber Tante Harriet hatte es zusammen mit fast allen anderen Sachen aus dem Besitz der Verstorbenen verkauft. Es war typisch für Tante Harriet, die Kontrolle zu übernehmen und davon auszugehen, dass sie alles am besten wusste und jeder ihr zustimmen würde. Die Jahre, in denen sie für ihren Vater gesorgt hatte, und dann die Jahre des Alleinseins hatten sie gegen die Empfindsamkeit anderer Menschen abgestumpft. Die meisten Menschen wichen einer Auseinandersetzung mit Tante Harriet aus, weil sie nicht bereit waren, sich mit ihrem herrischen und oft herablassenden Gebaren abzugeben.
    Wie Odette diesen Verkauf, der im Hause ihrer Eltern stattfand, gehasst hatte! Einen ganzen Tag lang hatten Fremde mit abfälligen und gelangweilten Kommentaren in den liebevoll zusammengetragenen Schätzen von Ralph und Sheila Barber herumgewühlt.
    »Diese Stühle sind ein bisschen schmuddelig. Für die Veranda gehen sie vielleicht noch.«
    »Warum haben sie nur all diesen alten Kram aufgehoben? … Wir könnten vielleicht ein Angebot für das Angelzeug machen,

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