Das Dornenhaus
standen in Vasen aus Silber und Kristall neben den Servierplatten auf der Walnussholz-Anrichte und der Mahagoni-Chiffoniere. Die kunstvollen Tafelaufsätze in der Mitte jedes Tisches waren mit Süßigkeiten, Nüssen, Früchten und Blumen gefüllt. Jeder Platz war mit georgianischem Silberbesteck, Mennecy-Porzellan und viktorianischen Gläsern gedeckt.
Das Dinner war mit Bedacht zusammengestellt – Waldpilzsuppe, Forelle, gebratene Ente und Gans, gefolgt von einem köstlichen, mit Madeira zubereiteten Nachtisch und
kheer
, einer delikaten Reiscreme, die Catherine in Indien kennen gelernt hatte, serviert in hübschen Schälchen und geschmückt mit
vark
, einer dünnen Schicht aus purem Silber, die sowohl essbar als auch dekorativ war.
Trotz der eleganten Umgebung, der unaufdringlichen und stilvollen Bedienung und des diskret im Hintergrund spielenden Palmgartenorchesters wirkte Robert abwesend und bedrückt. Der Verlust seiner geliebten Catherine schien ihn fast zu erdrücken. Aber der Ehrengast wirkte ganz entspannt und genoss sichtlich die Zwanglosigkeit dieses privaten Essens. Die Unterhaltung ging vom Tod der geliebten Königin Viktoria auf das vor kurzem proklamierte Commonwealth of Australia über.
»Ich muss sagen, die Feierlichkeiten waren sehr gelungen. Die Truppen aus Indien und Südafrika waren äußerst beeindruckend.«
»Offenbar muss es in Adelaide hoch hergegangen sein. Es sollen sogar Automobile an der Parade teilgenommen haben – haben natürlich die Pferde verstört.«
»Soviel ich gehört habe, hat Lord Tennyson, der Gouverneur der Provinz Südaustralien, von einem Chor ein Gedicht seines verstorbenen Vaters intonieren lassen.«
Eine der Damen zitierte schüchtern das Gedicht.
»Schwört Treue der Königin, meine Freunde,
und dann stoßt mit allen Gästen auf England an.
Für die Menschen nur der sein Bestes gibt,
Der sein Heimatland über alles liebt.«
»Hört, hört«, ließ sich die Gruppe am Tisch vernehmen. Der Generalgouverneur erhob das Glas. »Es ist unsere Heimat und unser Land und das unserer Kinder. Ich trinke auf den Australischen Bund – eine Flagge, eine Hoffnung, eine Bestimmung!«
»Ist es jetzt auch Ihr Heimatland?«, flüsterte die Frau des Generalgouverneurs Hock Lee zu, der links neben ihr saß.
»Allerdings. Ich bin schon als kleines Kind mit meinen Eltern in dieses Land gekommen. Ich habe es hier zu Wohlstand gebracht und bin sehr dankbar für die Möglichkeiten, die mir geboten wurden. Dies hier ist meine Heimat, nicht das Land, aus dem meine Vorfahren stammen.«
Robert blieb die ganze Zeit schweigsam und reagierte nur, wenn er angesprochen wurde. Er rang sich ein Lächeln ab und heuchelte Interesse, wenn notwendig, saß aber während des Dinners meistenteils abwesend und mit glasigem Blick da.
Hock Lee beobachtete seinen alten Freund über den Tisch hinweg, und das Herz wurde ihm schwer. Robert war gealtert, tiefe Falten der Traurigkeit und der Verbitterung hatten sich in sein Gesicht gegraben. Als er sah, dass Robert im Laufe des Abends immer tiefer in seine Träumereien versank, beschloss Hock Lee, demnächst mit Robert zu sprechen und Charles Dashford hinzuzuziehen, um die Situation von Roberts Adoptivtocher Mary und seiner eigenen kleinen Tochter endgültig zu klären.
Zum Glück schienen sich die meisten Gäste gut zu amüsieren und die Niedergeschlagenheit ihres Gastgebers kaum zu bemerken. Die Damen zogen sich in den Salon zurück, die Männer zündeten ihre Zigarren oder Pfeifen an und tranken ihren Port in beschaulicher Würdigung des großartigen Abends.
Um Mitternacht, nachdem der Generalgouverneur, seine Frau und deren Gefolge Zanana verlassen hatten, fuhren auch die Kutschen der anderen Gäste vor.
Als die Gäste fort waren, teilte Hock Lee seine Beunruhigung flüsternd Mrs. Butterworth mit, die ihm beipflichtete, dass Robert tief verstört sei. »Ich mache mir Sorgen um die beiden Kinder. Er kann nicht weiter so tun, als existierten sie nicht«, seufzte sie.
Hock Lee nickte. »Selbst Charles Dashford, Roberts Anwalt, hat schon diesbezügliche Bemerkungen gemacht. Das Baby ist noch nicht getauft. Ich weiß, dass Sie es Kate nennen, und ich muss sagen, Sie leisten Bewundernswertes, indem Sie sich zu allem anderen auch noch der beiden Kinder annehmen.«
»Ich war Catherine sehr ergeben, und ich liebe ihre Kinder«, erwiderte Gladys schlicht.
»Hm«, machte Hock Lee tief in Gedanken.
Nach seiner erzwungenen Rückkehr in die Welt
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