Das Dornenhaus
mit seiner Frau einlud. »Das ist die beste Gelegenheit, die Geschäfts- und Regierungskontakte wieder aufzunehmen, die du in diesen letzten Monaten so vernachlässigt hast, Robert. Denn ich werde mich wohl mehr im Hintergrund halten müssen, als dein ›stiller Partner‹. Diese Ängste und aufgebauschten Behauptungen, die ›gelbe Gefahr‹ würde in Horden aus dem Osten einfallen, bringen mich in eine unangenehme Lage.«
»Du bist ein angesehener und einflussreicher Geschäftsmann, Hock Lee, du bist von dieser ganzen Hysterie nicht betroffen.«
»Trotzdem ist es erstaunlich, welche Furcht und welches Misstrauen die Menschen all jenen entgegenbringen, die eine andere Herkunft und eine andere Kultur haben als sie.« Hock Lee war nicht im Geringsten darüber beunruhigt, dass ihn jemand beleidigen oder an seinem asiatischen Aussehen Anstoß nehmen könnte. Vor einigen Jahren hatte er seinen langen Zopf mit der entsprechenden Zeremonie abgeschnitten, und jetzt trug er sein seidiges schwarzes Haar modisch kurz. Während die meisten Männer sich einen Schnurrbart oder einen Bart zulegten, war seine olivfarbene Haut glatt und haarlos, wodurch seine ebenmäßigen Zähne und seine schwarzen mandelförmigen Augen betont wurden.
Hock Lee wollte Robert dazu bringen, die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Er war schockiert über Roberts Aussehen und sein abwesendes, fast verwirrtes Verhalten. Robert bewegte sich nicht in der Welt der Realität. Einsamkeit, ein gebrochenes Herz und zu viele Flaschen Whisky hatten ihn in eine graue Welt der Schatten und Erinnerungen hinabgezerrt.
»Ich möchte, dass du mitkommst und ein paar Tage bei mir verbringst, damit ich dir berichten kann, wie die Geschäfte gelaufen sind. Außerdem wird es dir gut tun, dich von den Kochkünsten meiner Mutter aufpäppeln zu lassen. Ein Nein lasse ich nicht gelten. Und was den Empfang betrifft, da habe ich schon entsprechende Leute eingestellt, um den Abend zusammen mit den Butterworths auszurichten. Du brauchst dich um nichts zu kümmern.«
»Catherine hat alles immer so hübsch arrangiert …« Roberts Stimme verlor sich.
Hock Lee wurde energisch. »Komm, Robert, du musst hier raus. Die Stadt ist genau das, was du jetzt brauchst.«
Zwei Wochen später erwachte Zanana zum Leben, wenn auch nur für einen Abend. Es war ein vollendeter Spätsommertag. Bei Einbruch der Dämmerung wurden die Gaslaternen entlang der Auffahrt angezündet, sie gaben ein weiches, rauchiges Licht und erhellten die Bäume am Weg entlang. Am Haupteingang des Hauses warfen die knorrigen Äste eines von unten beleuchteten Feigenbaums unheimliche Schatten über den Rasen.
Zanana erstrahlte in hellem Licht. Durch einige der Fenstertüren im Erdgeschoss, die in den Ballsaal führten, flanierte die Creme der Gesellschaft von Sydney und plauderte unter den riesigen Kristallkronleuchtern. Weiß bejackte Kellner mit Silbertabletts bahnten sich ihren Weg durch die elegant gekleideten Gäste, viele davon in Galauniform.
Die Herren des Empfangskomitees, angeführt von Robert, stellten ihre Gläser ab, sahen auf die Uhr und begaben sich zum Haupteingang. Während sie sich am Fuße der Stufen gruppierten, fuhr eine Limousine mit der Standarte des Generalgouverneurs vor. Im glänzend schwarzen Lack des Wagens spiegelten sich die Lichter der Villa.
Unter dem Vordach wurden dem Generalgouverneur und seinem Gefolge die anwesenden Würdenträger vorgestellt, dann begab sich alles in den Ballsaal, wo die Kapelle »God Save the King« spielte und sich alle Gäste erhoben hatten.
»Ich dachte, das sollte ein ganz ungezwungenes Dinner werden«, flüsterte Harold Gladys ins Ohr.
»Ohne ein bisschen Pomp würde es doch nur halb so viel Spaß machen«, erwiderte Gladys.
»Sieht mir nicht gerade nach Spaß aus. Stell dir vor, wie es sein muss, in diesen Aufmachungen rumzulaufen. Und auch noch mit Federn.«
»Ach, Harold! Das trägt man doch nur zu festlichen Anlässen wie diesem. Schau nur den Schmuck, den diese Frau trägt!«
»Die Frau des Generalgouverneurs sieht aus wie ein Schoner unter vollen Segeln«, bemerkte Harold ungnädig, als die rundliche Dame in Sicht kam.
»Komm schon, Harold, wir haben viel zu tun«, sagte Gladys und drängte ihn zurück zur Hintertreppe.
Sechzehn Personen wurden um den großen Esstisch platziert, jeweils acht weitere an zwei anschließenden runden Tischen. Die Silberkandelaber glitzerten, der Damast und das Leinen waren frisch gestärkt, üppige Rosenbuketts
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