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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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mit der Sahne, unter den Griff war eine Rose geklemmt. Odette erkannte sie als eine der Rosen aus einem Garten ein Stück die Straße hinauf, lächelte und wusste jetzt, von wem der Vogelruf gekommen war.
    Sie versteckte die Rose in einer Falte ihrer Strickjacke und brachte die Sahne ins Haus. »Tante Harriet, mir ist gerade eingefallen, wo ich die Kanne stehen gelassen habe. Weiter oben an der Straße bei Eileens Haus.«
    Summend ging Odette in ihr Zimmer zurück und hielt die süß duftende Rosenknospe an die Lippen gedrückt. Sie hoffte, dass die Zigeuner am nächsten Tag noch unten am Fluss sein würden.
    Nach der Schule lief sie zum Fluss, blieb stehen, um zu Atem zu kommen, und ging dann um die letzte Wegbiegung. Doch sie wurde bitter enttäuscht. Der Lagerplatz, wo die Zigeuner getanzt hatten, war leer. Die Wanderer waren weitergezogen auf ihrer jahrhundertealten Suche.

Kapitel fünf
    Zanana 1901
    D en Sommer über hatten die Rosen in voller Blüte gestanden, doch jetzt waren sie verblüht. Die Wunde in Roberts Herz war nach wie vor offen und schmerzte wie an dem Tag vor sechs Monaten, als Catherine ihm genommen worden war.
    Er hatte sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, hatte seine Geschäfte vernachlässigt und kümmerte sich nicht um sein Wohlergehen. Den Butterworths ging er aus dem Weg, bat darum, dass man ihm sein Essen auf einem Tablett hochschickte, und ließ die verlockenden Speisen oft genug kaum angerührt stehen. Was in und um Zanana geschah, schien ihn nicht zu interessieren, wenn auch Harold Butterworth dafür gesorgt hatte, dass die Farmprodukte weiterhin auf die Märkte geliefert wurden, und zusammen mit Sid Johnson sichergestellt hatte, dass alles auf dem Besitz normal weiterlief.
    Einem geisterhaften Schatten gleich, tauchte die schmale Gestalt der kleinen Mary hier und dort auf dem Grundstück auf wie ein scheuer Schmetterling. Sie hielt sich von Robert fern, wie er verlangt hatte, und erschien brav zu den Mahlzeiten, die sie schweigend mit den Butterworths im Küchenanbau einnahm. Ihre schulische Ausbildung wurde vernachlässigt, und Mrs. Butterworth, die neben ihren sonstigen Pflichten auch noch das Baby versorgen musste, hatte wenig Zeit für Mary. Das Mädchen ertrug seinen Schmerz und seine Trauer in einsamer Verzweiflung und fragte sich, was sie in ihrem siebenjährigen Leben je angestellt hatte, dass Gott sie so hart bestrafte. Sie blieb für sich und wollte nichts von dem Baby wissen.
    Catherines Tochter war ein ruhiges Kind und machte wenig Schwierigkeiten. Harold sorgte sich, dass Gladys sich zu sehr an das Kind gewöhnte, aber im Moment machte es sie glücklich, und das kam Robert MacIntyre durchaus gelegen; er hatte das Kind seit der Nacht der Geburt nicht ein einziges Mal mehr angesehen. Doktor Hampson kam regelmäßig vorbei, war aber trotz seiner medizinischen Behandlung und langer Gespräche mit Robert nicht in der Lage, das gebrochene Herz und den verstörten Geist des Mannes zu heilen, der das Wertvollste in seinem Leben verloren hatte.
    Tüchtig, wie sie sonst auf allen Gebieten war, fand Gladys Butterworth die Aufgabe, für ein Baby zu sorgen, doch manchmal erdrückend, und dann holte sie sich Rat bei Sid Johnsons Frau Nettie. Sie war dankbar für die Gesellschaft ihrer alten Freundin, und wenn sie die Zeit dazu erübrigen konnten, breiteten sie im Gras unter einem schattigen Baum eine Decke aus, tranken ein Glas frische Limonade und sahen Netties kleinem Sohn Ben dabei zu, wie er das glucksende Baby kitzelte.
    »Glaubst du nicht, sie sollte in ihrem Kinderwagen liegen statt hier auf dem Boden?«, fragte Nettie. »Schließlich ist sie die Herrin des Hauses.« Sie lachten beide über die Herrin in ihrer dicken weißen Windel, die mit den Beinen strampelte und entzückt ihre winzigen Fäuste öffnete und schloss.
    »Ich habe gelesen, Babys müssten stets ein Häubchen tragen, wenn sie draußen spazieren gefahren werden. Aber das ist Quatsch, Nettie. Es ist viel zu heiß. Schau nur, wie vergnügt sie ist.« Nachsichtig lächelten sie das zufriedene Baby an.
    »Was wird aus ihr werden, Gladys? Er muss sich doch irgendwann an sie gewöhnen.«
    »Ich weiß. Aber die Zeit heilt viele Wunden. Es lässt sich nicht beschleunigen. Er trauert immer noch um Catherine und macht, auch wenn ihm das vielleicht nicht bewusst ist, das arme kleine Ding für ihren Tod verantwortlich.«
    »Und in der Zwischenzeit darfst du die Mutter spielen. Häng dich nicht zu sehr an das Kind,

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