Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
Vom Netzwerk:
Geschwister?«
    »Nein. Wir sind Nachbarn.«
    Ellen musterte uns eine Weile von oben bis unten. Dann sagte sie: »Kommt, ich stelle euch Mama vor.« Sie sah Jago an. »Aber sag ihr nichts von diesem Teufel-Quatsch.«
    Wir folgten ihr ins Erdgeschoss. Ihre Mutter, eine zarte, attraktive Frau, stand, auf einen Stock gestützt, im Salon. Ihr Vater, der mit seiner engen schwarzen Jeans und dem schwarzen Hemd für mich wie ein Filmstar aussah, dirigierte mit der Hand, in der er eine brennende Zigarette hielt, die Umzugsmänner zu der Stelle, wo sie die Chaiselongue hinstellen sollten.
    Ellens Mutter hätte im Vergleich zu meiner Mutter nicht unterschiedlicher sein können. Sie war jung, schlank und schön. Glänzendes Haar fiel ihr geschmeidig über den Rücken, und sie trug ein terrakottafarbenes Kleid mit weich fließendem ausgestelltem Rock. Ihre kleinen, ebenmäßigen weißen Zähne schimmerten im Kontrast zu dem kirschfarbenen Lippenstift.
    »Hallo«, sagte sie. »Wen haben wir denn da?«
    »Das sind Jago und Hannah«, sagte Ellen. »Sie waren Freunde von Großmutter.«
    »Ihr habt meine Mutter gekannt?«, fragte Ellens Mutter, und ohne eine Antwort abzuwarten, trat sie zu mir und umarmte mich zärtlich, ehe sie das Gleiche bei Jago tat. Sie verströmte einen exotischen Duft, und ihre Haut fühlte sich an meiner Wange weich wie Seide an. Dann machte sie einen Schritt zurück und betrachtete uns mit leicht schief gelegtem Kopf. Sie hatte sich die Sonnenbrille ins Haar geschoben. An ihren Ohren baumelten goldene Kreolen, und um den schlanken Hals trug sie eine Kette mit einem Anhänger in Form eines Violinschlüssels. Hätte sie nicht missgebildete Fingerknöchel und Handgelenke gehabt, wäre sie makellos schön gewesen.
    »Ich konnte den Gedanken, dass meine Mutter ganz allein in diesem riesigen Haus lebt, nicht ertragen«, sagte sie, und ihre Armreifen klirrten, als sie sich wieder aufrichtete, was ihr offenbar Mühe bereitete. »Ich wusste gar nicht, dass sie so junge Freunde hatte! Und du« – sie sah mich mit einem Lächeln an, dass mir warm ums Herz wurde – »musst sie an Ellen erinnert haben, denkst du nicht auch, Peter? Wie schön, dass ihr euch um sie gekümmert habt!«
    Ellens Vater deutete eine spielerische Verbeugung an und schenkte mir ein solch galantes Lächeln, dass mein Magen Purzelbäume schlug und ich bis über beide Ohren rot wurde. Noch nie war ich jemandem wie ihm begegnet. Er war eine großartige Erscheinung.
    »Na ja … also … wir haben uns nicht direkt um sie gekümmert«, stammelte ich.
    »O doch, das habt ihr!«, erwiderte Ellens Vater.
    In diesem Moment betrat eine schwarz gekleidete, untersetzte ältere Frau den Raum. Sie trug eine Schachtel mit in Zeitungspapier eingeschlagenen Dekorationsgegenständen, die sie auf den kleinen Tisch neben dem Telefon stellte. Ellens Vater wich unwillkürlich vor ihr zurück, als fürchte er sich vor ihr, und rieb sich das Kinn, während er sie finster anstarrte.
    »Stören diese Kinder Sie, Anne?«, fragte die Frau Ellens Mutter.
    »Nein, keineswegs.«
    »Warum setzen Sie sich nicht. Sie überanstrengen sich. Sie sollten sich ausruhen.«
    »Es geht mir gut, Mrs   Todd«, entgegnete Ellens Mutter.
    »Deine Mutter braucht jetzt Ruhe«, sagte Mrs   Todd zu Ellen. »Geht hinaus zum Spielen.«
    Ellens Vater, der noch immer schräg hinter Mrs   Todd stand, rollte theatralisch die Augen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht zu kichern. Er winkte mich zu sich, zog ein Portemonnaie aus seiner Jeanstasche, nahm eine Fünfpfundnote heraus und reichte sie mir. Als ich zögerte, schloss er meine Finger um den Geldschein, indem er seine Hand um meine legte. »Kauft euch etwas davon«, sagte er, dann beugte er sich zu mir herab und fügte im Flüsterton hinzu: »Aber Sie, bezaubernde Miss Hannah, dürfen darüber verfügen.«
    »Danke«, wisperte ich. Er blinzelte mir verschwörerisch zu. Ich hielt den Geldschein fest in meiner Hand. Nie zuvor hatte mich jemand »bezaubernd« genannt.
    Draußen brachten Ellen, Jago und ich zunächst keinen Ton heraus. Eine Weile gingen wir schweigend die kleine Straße entlang. Immer wieder öffnete ich die Hand, um mich zu vergewissern, dass ich das Geld nicht verloren hatte.
    »Deine Eltern sind sehr nett«, sagte ich schließlich.
    »Hm.«
    »Wer war die andere Frau?«
    »Mrs   Todd? Ach, das ist unsere Haushälterin.«
    »Ist sie eine Dienstbotin?«, fragte Jago.
    »So eine Art. Sie putzt und kocht und kümmert

Weitere Kostenlose Bücher