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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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ein Schwatz sein mochte, für den eine bisher eilige Fahrt unterbrochen werden mußte? Nachdenklich betrachtete Folke den Turm, der zwei Stockwerke besaß und darüber eine Aussichtsplattform. Neben dem Eingang zum Turm stand Hrolf und unterhielt sich mit einem Mann der Wache. Er lachte schallend, und der andere, den Folke nicht sehen konnte, stimmte ein. Aber Folke war zum Schwatz nicht eingeladen worden. Er schlug den Pfad zum Schiff ein.
    Der »Graue Wolf« riß unruhig an seiner Festmacheleine, und die Wellen schlugen mit lautem Klatschen an die geklinkerte Bordwand. Folke blickte nach oben. Der Himmel war felsengrau und hing tief. Es sah nicht aus, als ob der Wind in den nächsten Stunden abflauen würde.
    Sven stand an der landseitigen Bordwand und sah sich um. Aber als er Folke bemerkte, machte er ein abweisendes Gesicht und starrte ins Wasser. Trotzdem fand Folke es an der Zeit, nun etwas von seinem Banknachbarn zu erfahren. Wer mit einem anderen über Stunden hautnah beisammen sitzt, wer ihm tagsüber beim Pinkeln zusieht und im Morgengrauen beim Schlafen, hat das Recht, mehr von ihm zu wissen als nur den Namen.
    »Ich habe dich noch nie in Haithabu gesehen«, leitete Folke das Gespräch ein und sah zu dem anderen hoch, »auch deine Verwandten nicht. Wo steht euer Hof?«
    Zu Folkes Überraschung ließ Sven den Kopf auf die Schildwehr der Reling fallen. Dann kam ein Laut wie ein Knurren aus seiner Kehle. »Ich habe keine Verwandten«, sagte er in seine Arme hinein.
    Ich habe sie doch selber gesehen, wollte Folke entgegnen. Aber dann besann er sich. Ein Mann, der seine Sippe verleugnet, muß dafür wichtige Gründe haben. Aber sie gehören ihm allein.
    Plötzlich pfiff jemand gellend, und Folke, der sofort alarmiert herumfuhr, sah Hrolf am Fuß des Wachturms mit ausladenden Gesten zum Strand hinunterwinken. Es war das Rückrufsignal für die verstreuten Ruderer. Folke schwang sich an Bord.
    Beinahe wäre er dem Sklaven auf die Hand getreten, der nicht mehr am Mast hockte, sondern auf den Decksplanken in der Mitte des Schiffes. Im Gegensatz zu Sven blickte er Folke pfeilgerade ins Gesicht, bleckte die Zähne wie ein wütender Hund, und dann spuckte er dem Wikinger vor die Füße.
    Folkes Faust schlug von selber los. Er ließ sich von niemandem anspucken, und wenn er sich sonst um Sklaven nicht kümmerte, so war er andererseits auch nicht gewöhnt, daß sie auf ihn losgingen. Nach dem ersten Faustschlag hörte Folke auf. Es brachte keine Ehre, einen Mann zu prügeln, der gebunden war. Er wischte sich die Faust ab und marschierte mit steifen Nacken zu seinem Platz.
    Sven saß bereits. »Pack!« murmelte er und deutete mit dem Kopf in die Schiffsmitte. »Hinterhältige Bande.«
    »Kennst du ihn?« fragte Folke, verblüfft, daß sein Nachbar ausgerechnet dann bereit war zu reden, wenn kein anderer ein Wort hätte fallen lassen.
    Sven schüttelte den Kopf. »Ihn nicht, aber sein Volk. Er stammt von einem Fluß, der Warnow genannt wird. Wertizlaw ist sein Name.«
    »Verstehst du denn ihre Sprache?« Folke war neugierig geworden.
     »Ein wenig«, antwortete Sven und versank erneut in die mürrische Stimmung, die bisher nur selten von ihm abgefallen war.
    Folke ließ ihn in Ruhe und drehte sich nochmals zu dem Gefangenen um. Dieser starrte sie mit brennenden Blicken an. Folke fand es sehr merkwürdig, daß der Sklave ausgerechnet auf ihn und Sven wütend schien, wo sie doch mit seiner Gefangennahme am allerwenigsten zu tun hatten. Diesem Wertizlaw konnte es überhaupt nicht entgangen sein, daß sie beide erst in Haithabu an Bord gekommen waren. Folke zuckte die Schultern und sah dann ungeduldig den Männern entgegen, die allmählich am Schiff eintrudelten. Bernstein hatten sie genügend gefunden, aber anscheinend war nicht in allen Fällen klar, wer ihn gefunden hatte. Böse Stimmen wurden hinter der Kuppe laut, ohne daß Folke sie unterscheiden konnte. Der lange Finn und Bard, die vorneweg kamen, prahlten laut mit der Größe und dem Gewicht ihrer Steine, und der mächtige Bolli, in dessen Hand der walnußgroße Bernstein nicht mehr als ein Feder wog, mit der durchscheinend goldgelben Färbung. Folke grinste. Diese Männer konnte er trotzdem gut verstehen, im Gegensatz zu einem Wertizlaw. Obwohl auch Sven seine Geheimnisse zu haben schien.
    Hjalti kam in weiten Sätzen den Abhang hinuntergesprungen und hinter ihm Aslak und Alf. Im Laufen steckte Alf einen Beutel in sein Wams; er sah sehr zufrieden aus. Aslak wickelte

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