Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Wellen über sie. Sie war zwar stets gern geschwommen, doch um nichts in der Welt hätte sie ihren Kopf unter Wasser gesteckt! Wer konnte schon sagen, wie tief das Felsenbecken war und ob es dort, wo das Licht herkam, auch Luft zum Atmen gab? Sie wollte nicht ertrinken!
Rolana spürte, dass ihre Bewegungen langsamer wurden. Ihre Kräfte ließen nach. Was sollte sie tun? Zurückschwimmen? Und was dann? Würden ihre Kräfte überhaupt noch bis zum anderen Ufer reichen? Sie starrte auf den Punkt in der Tiefe, an dem sich die tanzenden Strahlen vereinten.
»Soma, steh mir bei!«, stöhnte sie, sog noch einmal die Lungen voll Luft und tauchte ab. Ihre Schwimmbewegungen waren so langsam wie an der Oberfläche, aber sie spürte, wie sie immer schneller absank. Etwas zog sie nach unten. Der Drang zu atmen wurde immer stärker. Nun würde sie es nicht mehr zur Oberfläche zurückschaffen. Ihre einzige Hoffnung war das Licht unter ihr, das immer greller wurde. Ihre Lunge begann zu schmerzen, ihr Brustkorb sich krampfhaft zu heben und zu senken, aber sie gab nicht nach. Sie riss die Augen weit auf und starrte in das Licht, das in ihrem Kopf wie heiße Nadeln stach. Als sie es nicht mehr aushalten konnte, schloss sie die Lider. Ihr Kopf durchbrach plötzlich die Oberfläche, ihr Mund sog schnappend die rettende Luft ein. Ihr Herz raste. Erst als sich ihr Leib ein wenig beruhigt hatte, öffnete Rolana die Augen und sah sich verwirrt um. Seltsam: Sie war nach unten in die Tiefe geschwommen, und nun tauchte sie aus einem See auf und schwamm an seiner Oberfläche. Das Licht kam von einer Kuppel und strahlte heller als die Sonne. Ein paar Stufen führten sie auf sicheren Felsboden zurück. Rolana erklomm sie mit wackligen Knien und setzte sich erst einmal auf den steinernen Rand. Sie war barfuß, hatte all ihre Habseligkeiten verloren und trug nur noch Hemd und Hose. Sie schalt sich eine Närrin. Hätte sie sich gleich dazu entschlossen abzutauchen, könnte sie alles noch bei sich haben. Rolana sah sich um, konnte jedoch von ihren Sachen nirgends eine Spur entdecken. Mit einem Seufzer erhob sie sich und zog nass und barfuß weiter.
Eine Weile folgte sie wieder einem Gang, dann trat sie in eine runde Kammer. Als sie ihren Fuß in den goldschimmernden Kreis in der Mitte setzte, hörte sie hinter sich ein Knirschen. Rolana fuhr herum. Der Fels hatte sich geschlossen. Sie stand nun in einem zylindrischen Raum, den man mit etwa zehn Schritten durchmessen konnte. Obwohl keine Fackeln oder Lampen brannten, war der Raum von einem unwirklichen goldenen Licht erhellt. Wie ging es nun weiter? Rolana stand in dem goldenen Kreis und drehte sich langsam um ihre Achse. Es war kein Ausgang zu sehen und auch keine Unebenheit im Boden oder an den völlig glatten Wänden, die dazu hätte dienen können, einen Mechanismus in Bewegung zu setzen. Nur die goldene Platte, die kaum einen Schritt maß, unterschied sich vom Schwarz der Decke, der Wände und des Bodens. Es war völlig still. Rolana stand da und wartete. Sie merkte, wie ihr Herzschlag seinen Rhythmus beschleunigte. Etwas würde geschehen. Musste geschehen.
Das kratzende Geräusch war so leise, dass sie es fast nicht bemerkt hätte. Wo kam es her? Es war überall um sie herum. Etwas schien sich zu bewegen. Rolana blinzelte. Ihre Sinne mussten sie täuschen. Es lag an dem trüben Licht, das von irgendwoher kam und nun in schimmernden Mustern über die Wand huschte. Es drehte sich um sie, oder drehte sie sich? Die Wand schien näher zu kommen und sie immer weiter einzuengen.
Rolanas Herzschlag setzte für einige Momente aus. Das war keine Täuschung des Lichts! Das Knirschen wurde lauter, die Lichter bewegten sich immer schneller, und das Rund der Wand zog sich unerbittlich zusammen. Auch die Decke senkte sich. Rolana war es, als könnte sie nicht mehr atmen. Das war so unsinnig. So völlig absurd. War sie über die Schlucht gegangen, durch Feuer und Wasser, um nun hier von den Wänden zerquetscht zu werden? Das konnte nicht sein. Dieses Ende hatte Soma nicht für sie vorgesehen!
Inzwischen konnte sie die Wände rund um sich berühren, wenn sie die Arme ausstreckte, und noch immer schoben sie sich näher.
Plötzlich verebbte die Panik in ihr, und sie wurde ganz ruhig. Nein, dies war nicht das Ende. Sie dachte an den See, der sie verschlungen und dann auf so wundersame Weise wieder freigegeben hatte. Es war nur eine weitere Prüfung auf dem Weg zum Ziel. Sie würde nicht sterben – zumindest
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