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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Junge drehte sich um und lächelte Alasar an, als er ihn erkannte. Eilig kam er ihm entgegen. In den letzten Wochen waren sie enge Freunde geworden. Alasar mochte den stillen Jungen, in dessen Augen so viel Wärme lag. »Was machst du hier oben?«
    Alasar wandte das Gesicht wieder dem Wind entgegen. »Es wird schneien.«
    Rahjel nickte. Der Wind spielte mit seinen braunen Haaren und wehte sie ihm aus der Stirn. »Ich habe es auch gemerkt. Meine Mutter sagt immer, sie könne es in den Knochen spüren, den Schnee, meine ich. Ich glaube, ich kann es jetzt auch.«
    »Ich rieche es.« Alasar witterte wieder die Luft und Rahjel lachte. »Du siehst wirklich aus wie ein Wolf, wie du so schnüffelst, hat dir das schon mal jemand gesagt?«
    »Vielleicht kann ich auch so beißen!« Als Alasar nach ihm schnappte, wich Rahjel zurück. Sie grinsten.
    »Willst du gegen mich wetten? Deine Nase gegen meine Knochen.«
    Alasar runzelte die Stirn. »Gut, ich wette, dass es heute Mittag schneit.«
    Rahjel schüttelte den Kopf. »Du hast es viel zu eilig, Alasar. Du hast keine Geduld! Aber der Schnee und die Wolken lassen sich Zeit. Ich sage, es schneit erst diese Nacht, und morgen früh ist alles weiß.«
    Sie gaben sich feierlich die Hände. »Um was wetten wir?«, fragte Rahjel dann. »Um unsere Abendration? Ein paar Jungs haben eine Hasenjagd veranstaltet. Ich denke, heute Abend wird es gutes Essen geben, und einer von uns kann sich gleich zweimal drüber freuen.«
    Alasars Gesicht hatte sich versteinert. »Wer hat eine Hasenjagd veranstaltet? Wir haben noch genug Vorräte und die Haradonen sind überall!«
    Rahjel lächelte unsicher. »Na ja … du hast recht. Aber wenn ich dir verrate, wer es war, wirst du nur mit ihnen böse sein, obwohl sie doch nicht mit Absicht etwas falsch gemacht haben.«
    Alasar musste über Rahjels Worte nachdenken und blickte wieder ins weite Land hinaus. »Abgemacht, es geht um unser Abendessen.«
     
    An diesem Abend stellte Alasar sich auf den höchsten Vorsprung der Schlafhalle. »Hört mich an!« Seine Stimme wurde von der hohen Decke zurückgeworfen, sodass er weitaus lauter und durchdringender klang als sonst. Die Kinder sammelten sich neugierig unter ihm.
    »Es ist gefährlich, die Höhlen zu verlassen. Wir könnten von Haradonen entdeckt werden. Von nun an muss jeder bei mir um Erlaubnis bitten, bevor er ins Freie geht. Wer einmal gegen das Gesetz verstößt, bekommt einen Tag lang kein Essen. Wer ein zweites Mal gegen das Gesetz verstößt, ist eine Gefahr für uns alle und wird verbannt!«
    Die Kinder begannen, wild durcheinanderzureden, und wütende Rufe wurden laut, während Alasar den Felsen wieder hinabkletterte. Als er auf den Boden sprang, fasste ihn ein alter Mann am Arm. Tief beugte er sich über ihn. »Meinst du nicht, dass du ein wenig zu streng bist?« Der Blick des Alten suchte eine Antwort in Alasars Augen, doch er fand nichts außer einem erbosten Glühen.
    »Versuch doch, hochzuklettern, um dein Wort gegen meins zu erheben, wenn deine Knochen es zulassen!«, zischte Alasar zurück und riss sich los. Der Alte blickte ihm verdutzt nach.
     
    Rahjel behielt recht. Kurz bevor das Essen von den Frauen ausgeteilt wurde, stiegen er und Alasar noch einmal zu dem Riss im Fels hinauf. Sie mussten nicht lange warten, da fing es an zu schneien; erst in kleinen, nassen Flöckchen, dann immer stärker, bis es aussah, als würden Tausende und Abertausende Daunenfedern aus dem Himmelschwarz schweben. Rahjel lächelte zufrieden. »Siehst du, Alasar? Manche Dinge brauchen ihre Zeit.«
    Alasar blickte in die Dunkelheit. Er war sich selten der Stille so bewusst gewesen wie jetzt, und es kam ihm vor, als sei die ganze Welt verstummt.
    »Du hast heute eine gute Regel aufgestellt«, sagte Rahjel plötzlich. »Eine strenge Regel … aber eine gute. Die anderen fühlen sich bei dir sicher, weißt du. Du kannst Menschen dazu bringen, dir zu glauben.«
    Alasar nickte gedankenverloren. Dann änderte sich sein Blick und seine Hände schlossen sich unbemerkt zu Fäusten. »Weißt du, wie weit uns das bringen kann - wenn die Menschen an mich glauben und du ein Gespür dafür hast, was geschehen wird?«
    Rahjel verzog den Mund zu einem verwunderten Lächeln. »Weit bringen? Was meinst du damit …«
    Alasar sah wieder in die Dunkelheit, heimlich enttäuscht, dass Rahjel ihn nicht verstand und nicht wie er an Rache gedacht hatte.
    Seit dem Tag, an dem er die Kinder in die Höhlen geführt hatte, war der Wunsch

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