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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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nach Vergeltung in ihm gewachsen. Er erfüllte sein Denken, wenn er nachts wach lag. Er bedrängte ihn, wenn er tagsüber die anderen beobachtete, die denselben Funken in sich trugen wie er, den man bei ihnen nur entzünden musste, um den Zorn in Hunderten Herzen aufleben zu lassen.
    Alasar fühlte sich einsam, als Rahjel seine Bemerkung nicht verstand, die doch seine geheimsten Gedanken preisgab. Und er erkannte umso deutlicher, dass er niemandem trauen konnte. Nein, er würde, wenn es so weit war, ganz alleine tun, was getan werden musste.

Der König von Haradon
    A rdhes!« Candula kam schwer schnaufend über die Felsen geklettert. »Ardhes!« Ardhes stand auf und drehte sich um. Der frische Wind, der hier draußen wehte, ließ Candulas Rock aufflattern, und die alte Amme schlug erschrocken die Hände auf den Stoff. »O ihr Götter! Ardhes, kommt … zurück! Hier draußen … brecht Ihr Euch noch das … Genick!«
    Ardhes drehte gelassen einen flachen Stein in den Fingern. Sie war oft draußen vor dem Schloss und konnte so flink und geschickt klettern wie die Bergziegen. Was sich von Candula nicht gerade behaupten ließ. Sie bewegte sich mehr wie ein dicker alter Bär. »Was willst du denn, Candula?«
    Candula stützte sich mit einer Hand an den Felsen ab, als könne der Wind sie von den Füßen reißen. Dabei wog sie viel zu viel, um diese Angst zu hegen. »Der König von Haradon! Er kommt! Eure Mutter die Königin ist rasend, weil Ihr den ganzen Vormittag verschwunden wart!«
    Ardhes warf den Stein weg und sprang geschickt über die Felsen hinweg zu ihrer Amme. »Ich weiß längst, dass die Haradonen kommen. Ich habe sie von hier aus beobachtet. Da sind sie, siehst du, Candula?« Candula kniff die Augen zusammen und spähte in die Richtung, in die Ardhes wies. Klein und fast nicht zu erkennen, zogen der König und sein Gefolge in der Ferne über eine Steinbrücke.
    »Ja, und - Ihr steht einfach da und guckt, wie sie kommen?«, empörte sich Candula gerade so laut, wie sie es wagte. »In einer Stunde sind sie hier angekommen! Sie reiten auf Pferden und Drachen.«
    Ardhes seufzte und ging an Candula vorbei. »Na gut, dann komm jetzt.«
    Nach einem Moment riss Candula sich vom Anblick des näher rückenden Heerzuges los und folgte ihrer Herrin mit unsicheren, ängstlichen Schritten. Sie erreichten das Schlosstor, gingen unter dem offenen Fallgitter hindurch und überquerten den Hof. Soldaten zogen sich ihre Uniformen zurecht, Stallburschen striegelten ihre Pferde und Mägde kehrten das letzte Heu vom Boden auf.
    Candula nahm, wie von der Geschäftigkeit angesteckt, Ardhes an der Hand und führte sie in ihr Schlafgemach. Ein ockerfarbenes Kleid mit Goldstickereien und Futter in Tannengrün lag auf dem Bett. »Damit seht Ihr aus wie eine Porzellanpuppe, so fein und blass«, versprach Candula mit fröhlichen Augen und half Ardhes aus ihrem Kleid. Als Ardhes umgezogen war, flocht Candula ihr die Haare zu einem kunstvollen Kranz, der auf ihrem Kopf saß wie eine Krone. Das Ganze dauerte beinahe eine Stunde.
    »Nun aber rasch«, sagte die Amme und schob sie sanft auf die Tür zu. »Die Königin erwartet Euch bereits.«
    Candula begleitete Ardhes durch die Flure des Schlosses, bis sie die Empfangshalle erreichten, die über eine weite Treppe direkt mit dem Hof verbunden war. Der dunkle Steinboden war auf Hochglanz poliert, und neben dem Wappen von Awrahell, das über der Thronempore hing, schmückte das gelbe Löwenwappen von Haradon die Wand.
    Die Königin stand vor der Empore und begutachtete ihre Zofen, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. »Was soll das sein?«, fragte sie streng und riss ungeduldig am Kleid einer Zofe. »Willst du wie eine Hure aussehen, wenn der König von Haradon kommt? Zieh dir gefälligst das Kleid hoch oder wirf dir ein Tuch über!«
    Die Zofe tat, wie ihr geheißen, und machte einen Knicks. Ardhes musterte Königin Jale. Sie trug ein prachtvolles karmesinrotes Kleid mit gelben Stickereien, das gewiss nicht züchtiger war als das der Zofe. Dazu war ihr Haar aufgesteckt und eine schmale goldene Krone glänzte auf ihrer Stirn.
    »Mutter«, sagte Ardhes.
    Königin Jale musterte sie aufmerksam und kam schließlich auf sie zu. »Endlich! Hast du dich noch waschen lassen? Zeig deine Hände!« Bevor Ardhes gehorchen konnte, hatte ihre Mutter bereits ihre Hände genommen und drehte sie nach oben und nach unten. Als sie einen kleinen Kratzer entdeckte, den Ardhes sich vor einigen Tagen draußen

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