Das Drachentor
Capras schleppte sich singend und murmelnd hinter ihnen her.
Die Nachtluft schlug ihnen wie ein plötzlicher Kälteschwall entgegen, als sie hinaustraten. Im matten Schein der Fackeln erkannte Revyn Winddrachen, die oben in ihren Gehegen schliefen. »Warum sind die denn nicht beim Heer?«, fragte er überrascht.
Twit winkte ungeduldig ab. »Glaubst du, Logond schickt gleich in der ersten Schlacht alle Legionen in den Kampf? Was wäre denn, wenn wir verloren hätten, dann wären ja alle Drachen in die Hände der Myrdhaner gefallen.« Die drei Freunde gingen schweigend am Rathaus entlang. Nur einmal fragte Twit belustigt, wieso Capras einen riesigen, leeren Weinkrug auf dem Kopf trug.
Dann blieben sie vor einer Reihe kleiner, vergitterter Türen stehen, die Revyn zuvor nie aufgefallen waren - er hatte sie stets für Drachenställe gehalten. Vor einer der Türen saßen zwei Wachen mit Speeren und dösten. Twit räusperte sich, während Capras leise vor sich hin kicherte. »Ich stör euren Schnarchwettbewerb nur ungern!«
Die beiden Wachen hoben matt die Köpfe. »Was wollt ihr?«, knurrte der eine Twit an.
»Der Kamerad soll mal einen Blick da reinwerfen, schieb die Tür auf.« Twit legte feierlich einen Arm um Revyns Schultern. Die Wache knurrte etwas, wagte aber nicht, sich weiter mit Twit anzulegen. Er öffnete den Eisenriegel mit seinem Schlüssel und brummte: »Auf eigene Gefahr.«
Twit zog die Tür auf und trat als Erster ein, den Arm noch immer um Revyn gelegt. »Das war vielleicht ein Spektakel«, erzählte er nebenbei. »Wirst du mir kaum glauben. Da, schau hin.« Hinter der Tür lag ein dunkler Kerkerraum. Es roch nach Moder und nassem Stroh. In einer Ecke kauerte jemand auf dem Boden.
Revyn erkannte sie sofort, an etwas, das tiefer und stärker ist als ein Gesicht. Unter einem Stechen zog er die Luft ein.
Das Mädchen vom See.
»Eine Elfe mitten aus der Wildnis, stell dir vor. Du wolltest doch mal wissen, wieso die Drachen verschwinden. Tja, hier sitzt der Grund …« Twit erzählte weiter, doch Revyn hörte nicht mehr zu. Er konnte nur das Mädchen anstarren.
Sie war nicht schön. Ihr Gesicht war hart und die Nase sprang spitz hervor. In ihren Augen glühte Hass.
»… Sie hat uns angefallen, wie aus dem Nichts. Einfach so aus dem Dickicht mit dem Ding hier.« Twit zog einen langen Dolch aus dem Gürtel. »Ich sage dir, diese Hexe wollte mir an die Gurgel gehen. Sie hat versucht, mich in den Wald zu zerren, zu ihresgleichen oder die Götter wissen zu welchem grausigen Ort sonst. Dabei ist ihr wohl nicht aufgefallen, dass vierhundert Männer hinter mir marschiert sind.«
»Sie ganz alleine?«
»Nein, allein war sie nicht, das Biest. Mit einer Horde wild gewordener Drachen! Glaub mir, so was hab ich noch nie gesehen - die Tollwut muss die alle ergriffen haben …« Revyn hörte kaum hin. Ob sie ihn im spärlichen Licht wiedererkannte? Wusste sie, dass er der tollpatschige Fremde im Schilf gewesen war?
Plötzlich ging Twit auf sie zu. Sie zog die schmutzigen Knie enger an den Körper und bleckte die Zähne. Jetzt sah Revyn die straffen Seile an ihren Handgelenken. Twit zog sie an der Wand hoch, sodass sie ihm gegenüberstand. »Na, Dreckselfe? Hast du gedacht, du könntest mich überwältigen? Mich, hast du das gedacht?!«
»Twit!« Revyn lief auf ihn zu, ohne zu wissen, was er tun wollte. Twit hielt das Gesicht der Elfe in der Hand. Seine Finger gruben sich in ihre Wangen. Ihr Hinterkopf schlug dumpf gegen die Steinwand, aber ihre Augen blieben glühend auf Twit gerichtet.
»Kannst du das sehen, du Bastard?« Er deutete auf sein blaues Auge. »Guck’s dir genau an, denn das war dein Todesurteil, du Dreckstück. Niemand legt sich mit uns an!« Twit hob den Dolch und drückte die Klinge an ihre Wange.
Revyn zog ihn zurück. »Hör auf, Twit, das reicht!«
Twit starrte Revyn verwirrt und wütend an. »Dieser Bastard hätte mich um ein Haar umgebracht!« Er streckte wieder den Dolch nach ihr aus, aber Revyn zerrte ihn erneut weg. Diesmal blieb Twit direkt vor ihm stehen, und für einen Moment war Revyn sicher, dass er den Dolch gegen ihn erheben wollte.
Jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann trafen Twit die gefesselten Fäuste der Elfe ins Gesicht. Er stieß ein überraschtes Keuchen aus, stolperte und stürzte zu Boden. Dort regte er sich nicht mehr.
Revyn fuhr herum, aber es war zu spät. Zwei Hände packten ihn um den Hals und stießen ihn nieder. Innerhalb eines Wimpernschlags
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