Das Drachentor
erklang ein heller Drachenruf. Yelanah und Revyn drehten sich um. Aus den Nebeln lief einer der Drachen auf sie zu. Hinter ihm galoppierte ein Junges.
Asrán! Revyn zuckte zusammen, als er Yelanahs Ruf in seinen Gedanken hörte. Der Drache lief neben Yelanah und Isàn und sein Junges drängte sich ängstlich an ihn.
Es ist hier … es ruft, es ruft nach Sayohá … Yelanahs Blick irrte zu dem Drachenkind. Dann sprang sie von Isàns Rücken.
»Was ist?«, fragte Revyn sorgenvoll.
Wir verlassen die Nebelwelt, in Ordnung? Dann müssen wir den Weg durch die Wirklichkeit gehen.
Die Drachen traten näher. Revyn glaubte ein Gemurmel und mehrere Stimmen durcheinander sprechen zu hören, doch die Worte blieben ihm unverständlich. Er stieg von Palagrin.
»Sayohá und Mirihs sind die letzten Kinder dieses Stammes«, erklärte Yelanah ihm. »Sayohás Mutter … folgte dem Ruf. Asrán soll nicht auch noch seine Tochter verlieren.« Revyn nickte. Die Drachen schienen zu warten.
Geht schon vor, ich brauche noch ein paar Dinge für die Reise, sagte Yelanah. Wir holen euch später ein. Die Drachen verabschiedeten sich. Revyn sah zu, wie einer nach dem anderen in den tiefen Nebeln verschwand.
»Komm, Revyn, hast du Hunger?«, fragte Yelanah, doch sie überspielte ihre Sorge nur schlecht. »Lass uns was zu essen suchen. Wie geht es eigentlich deiner Verletzung? Wir müssen unsere Verbände erneuern, bevor wir die Nebelwelt verlassen.« Sie ging in den Wald und Revyn folgte ihr.
Der Donner grollte wieder. Der Wind rauschte laut und wütend durch die Bäume.
»Es ist zum Verzweifeln«, sagte Yelanah, während sie die Umgebung nach Sträuchern absuchte, an denen die Bom wuchsen. »Wenn wir einen Weg durch die Welt der Menschen wählen, wird unsere Reise mindestens eine Woche dauern. In der Nebelwelt wären wir heute Abend da gewesen …«
»Wo lebt dieser Prophet denn?«, fragte Revyn. »Er ist König in einem kleinen Reich zwischen Haradon und Myrdhan. - Da, hier sind welche!« Yelanah lief los. Als Revyn sie eingeholt hatte, blieb er stehen. Sie waren auf eine Lichtung gekommen. Vor ihnen lag ein See - genau der See, an dem sie gestern von Khaleios und den Elfen überrascht worden waren! Es bestand kein Zweifel. Es waren dieselben schilf bewachsenen Ufer.
Yelanah bemerkte sein Stutzen. »Du weißt doch, in den Nebeln folgen hier und jetzt keinen festen Regeln … Das ist der San Yagura Mi Dâl. Der See, der immer wartet. Er ist leicht zu finden, wenn man ihn finden will, und außerdem der Treffpunkt, an dem die Dar’ hana und ich uns zu jeder Zeit rufen können. Außerdem wachsen hier köstliche Bom .« Sie pflückte eine Frucht und warf sie Revyn zu. Er fing sie auf.
Yelanah riss sich ebenfalls ein Bom ab, dann lief sie ans seichte Ufer und setzte sich. Ihre Füße berührten fast das Wasser und nachdenklich blickte sie auf den See hinaus. Revyn ließ sich neben ihr nieder. Schweigend aßen sie.
Yelanah warf den abgenagten Kern ins Wasser. »Wenn ich dem Ruf einmal folgen muss, dann will ich mich keine Klippe hinunterstürzen. Dann will ich ertrinken.« Revyn starrte sie an. Als sie seinen Blick erwiderte, sah er die Tränen in ihren Augen. Sie lächelte flüchtig und blickte zu Boden.
»Ich dachte … nur die Drachen verschwinden.«
»Auch ich spüre manchmal den Sog.«
»Wieso willst du ertrinken?« Schaudernd blickte er auf die Wasseroberfläche. Die bauschigen Wolken spiegelten sich darauf. »Ertrinken muss schrecklich sein.«
»Ich glaube schon jetzt in Hilflosigkeit zu ertrinken, wieso dann nicht auch im Tod.« Abwesend wischte Yelanah sich über den Mund und stand auf. In der Nähe des Schilfs pflückte sie mehrere Kräuter und kam zurück. Ihr Gesicht hatte sich wie eine Maske verschlossen. Auch die Tränen hatten ihre Augen verlassen und ihr Blick war leer.
»Verbinden wir unsere Verletzungen.« Revyn nickte. Er löste den Verband an seinem rechten Arm, während Yelanah den an ihrer Schulter löste. Dann half sie ihm bei der Verarztung.
Die Reise
Es war beinahe beängstigend, wie leicht man die Nebelwelt verlassen und in die Wirklichkeit treten konnte, ohne den Wechsel wahrzunehmen. Plötzlich wichen die dichten Nebel zurück, und als Revyn sich umdrehte, umgab ihn ein alter Fichtenwald. Die milchigen Schwaden waren wie vom Erdboden verschluckt. Das dichte Unterholz hatte dünnem Moos und Wurzeln Platz gemacht.
»Komm«, sagte Yelanah und lief ihm voraus. Nicht weit entfernt sahen sie die Drachen
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