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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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die Sprache der Dar’ hana, damit sie uns verstehen. Gewöhne dich lieber daran«, erklärte Yelanah. Dann schwenkte sie das Etwas in ihrer Hand vor ihm hin und her. »Hast du Hunger? Iss das. Es ist die Speise der Meleyis und des Mahyûr , der Kleinen Götterkinder. Es gibt sie nur hier, in der Nebelwelt, aber dafür zu jeder Jahreszeit, bei Sommerdürre und bei Winterfrost.«
    Revyn nahm das Ding - es war wohl eine Frucht - und wog es eine Weile in der Hand. Es hatte eine samtige Haut und war etwas größer und schwerer als ein Apfel. Nach kurzem Zögern biss er hinein. Zu seiner Freude war die Frucht köstlich. Sie war fest und nur leicht süß, aber mit einem eigenwilligen, vollen Geschmack. Yelanah schob ihm gleich zwei weitere Früchte hin, sie selbst aß ebenfalls, und auch die Drachen raschelten in der Dunkelheit, während sie sich die Früchte aus den Sträuchern zupften. Revyn hatte nicht gewusst, dass sie etwas anderes als Fleisch fraßen. »Wie heißt diese Frucht?«
    » Asahár Nir. Asahár bedeutet Herz oder … pochender Stein. Und Nir kennst du ja vom Nir Miludd. Es heißt Leben.«
    »Also Herz des Lebens. Oder lebendiger Stein.«
    Yelanah lächelte. »Die Elfen nennen sie so. Aber sie essen die Frucht ja nicht, denn die Welt der Nebel ist ihnen nur begrenzt zugänglich. Ich nenne sie einfach Bom. Das heißt lecker.«
    Als sie satt und zufrieden dalagen - Isàn und die Drachen hinter Yelanah, als müssten sie sie schützen, und Palagrin hinter Revyn mit wohl derselben Absicht -, lauschten sie dem Zirpen der Grillen und den fernen Rufen der Eulen.
    »Was bedeutet das, in den Nebeln zu sein?«, flüsterte Revyn. »Haben wir die wirkliche Welt verlassen?« Er blickte zum Himmel auf. Wenn die Baumkronen sich im lauen Nachtwind wiegten, konnte man darüber den Himmel sehen. Die Sterne glitzerten zu ihnen herab, als hätte jemand silbernen Staub in die Luft geworfen. Es war schwer vorstellbar, dass das alles nicht existieren sollte.
    »Ja und nein.« Auch Yelanah schaute in den Himmel, das erkannte Revyn, als er zur Seite schielte. Der Sternenglanz spiegelte sich in ihren Augen. »Siehst du den Himmel? Das sind die Sterne der echten Welt. Und doch strahlen sie hier viel heller, verstehst du? So ist es mit allem in den Nebeln. Die Wälder sind für uns so echt wie in der normalen Welt, aber sie sind trotzdem tiefer, sie sind eben … sie sind voller Zauber. Das ist die Wirklichkeit der Nebel: ihr Zauber. Der Zauber verstärkt die einen Dinge - er lässt Düfte intensiver werden und die Bäume weit in den Himmel wachsen - und schwächt anderes, was in der Realität festen Regeln folgt, so wie den Verlauf der Sonne und die Zeit … Hier sind die Grenzen zwischen Möglichem und Unmöglichem schwächer. Und manchmal verschwinden die Grenzen ganz.« In Yelanahs Stimme mischten sich Faszination und Sorge, als hätte alles, was sie von der Nebelwelt erzählte, auch seine Schattenseiten.
    »Das ist alles so neu für mich«, murmelte Revyn. »Ich kann so vieles gar nicht glauben … Gibt es denn noch eine dritte Welt, eine, die sozusagen auf der anderen Seite des Nebels liegt?«
    »Ich glaube ja. Wenn schon die Nebelwelt nur von Dar’hana und den Kleinen Gottkindern betreten werden kann, wird eine Welt noch weiter entfernt von der Wirklichkeit nur vollkommen unwirklichen Geschöpfen Zugang gewähren. Ein Ort, an dem es keine Regeln gibt, kein hier und dort, fern und nah, keine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist nicht für Sterbliche möglich. Jedenfalls ist es nicht möglich in meiner Vorstellung.« Revyn versuchte, sich eine solche Welt vorzustellen … aber es glückte ihm nicht. Wie konnte man denn leben ohne einen Augenblick, der kommt, da ist und verstreicht? Diese Gedanken beängstigten ihn.
    »Was ist mit den Elfen? Ihr Dorf ist vorher verschwunden, aber du sagst ja, sie gehören auch nicht in die Nebelwelt.«
    »In jeder Welt gibt es viele Ebenen und die Elfen sind auf einer dieser Zwischenebenen. Ihre Dörfer liegen in echten Hainen und können doch wie Illusionen verschwinden. Womöglich gibt es überhaupt keine klaren Grenzen zwischen all den Welten. Die Wirklichkeit der Menschen, die Haine der Elfen, die Nebelwelt und alles darüber hinaus sind vielleicht nur Ebenen, in denen die Naturgesetze mehr und mehr zerfließen.«
    Revyn kam eine vage Erinnerung. Hatte er nicht schon einmal die Nebel erlebt, noch bevor er Yelanah damals am See gesehen hatte? Vor langer Zeit … als er mit Palagrin aus

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