Das Drachentor
anstrebte - und wenn er den blinden Gehorsam, die Verehrung seiner Anhänger beobachtete, schauderte ihn.
Rahjel hatte die Hallen hinter sich gelassen und die Stimmen der anderen waren verklungen. Gemütlich schlenderte er durch die Grotten, kam vorbei an einem See, schwenkte die Arme und spürte, wie sich ein versonnenes Lächeln auf seine Züge stahl.
Er ging nicht zu den Kampfübungen, um nach Tivam zu sehen. Stattdessen schlug er den Weg in die entlegeneren Orte des Höhlenreichs ein. Er kam an Felszacken vorbei, die das tropfende Wasser über Jahrhunderte hinweg zu langen Zähnen geformt hatte. Nur vereinzelt erhellte eine Fackel seinen Weg.
Als er einen schmalen Gang erreichte, blieb er kurz stehen. Er sah sich noch einmal um, aber er war alleine. Rasch strich er sich durch die Haare und zupfte sein Wams zurecht. Wieder musste er über seine eigene Aufregung lächeln - er wollte fast den Kopf über sich selbst schütteln. Dann ging er bis ans Ende des Ganges und wartete.
Der anführer der Höhlenkinder saß in seiner Arbeitskammer und wartete. Im Grunde war es nur eine runde Felsnische mit einem Spalt als Eingang. An der niedrigen Decke hatte er eine Lampe festgebunden und an die hinterste Wand einen schmalen Holztisch gestellt. Beide Dinge hatte er von einem der wandernden Händler, mit denen sie einen regen Tauschhandel betrieben. Der Rest der Kammer war mit Säcken, Holzscheiten und unverarbeitetem Leder vollgestopft.
Nachdenklich saß Alasar auf seinem Tisch und ließ Salz von einer Hand in die andere rieseln. Es war spät, aber er schlief in letzter Zeit unruhig und erwachte alle paar Stunden.
Fast fünf Tage waren vergangen, seit sie von ihrem Raubzug zurückgekehrt waren, und noch immer hatte der Drachenfänger sich nicht hilfreich gezeigt. Daran hatte auch die kleine Ration Wasser und Dörrfleisch vor zwei Tagen nichts geändert. Alasar musste sich unbedingt eine neue Methode ausdenken.
Endlich hörte er von draußen Schritte. Wie lange hockte er jetzt schon hier? Mindestens eine Stunde. Ein wenig grimmig beobachtete er Rahjel, der durch den Felsspalt trat. »Tut mir leid, ich war die ganze Zeit bei Igola.«
»Igola! Wie lange kann man denn über Stricken und Suppekochen reden? Ich habe gewartet!« Rahjel sah ihn nicht an. Sein Blick war auf das Salz gerichtet, das unaufhörlich von einer Hand in die andere rieselte. Alasar warf das Salz in einen der Säcke zurück.
»Ich habe Wichtiges mit dir zu besprechen.«
»Wie immer.«
Einen Augenblick überlegte Alasar, ob er sich von dem Spott in Rahjels Stimme angegriffen fühlen sollte. Doch dann lehnte er sich vor. »Ich will dem Drachenfänger noch zwei Tage geben. Dann brechen wir auf und besorgen mehr Drachen. Momentan ziehen so viele Drachenkolonnen in die Hauptstadt Haradons wie nie zuvor. Das müssen wir ausnutzen.«
»Meinst du wirklich, wir brauchen jetzt schon so viele Drachen …« Rahjel ließ sich gegen einen Sack sinken und seufzte tief.
»Wenn unser Tag gekommen ist, sollen wir dann vielleicht auf Ziegen reiten? Und jetzt hör zu, darüber wollte ich mit dir sprechen: Wenn der Drachenfänger nichts taugt, müssen wir einen neuen beschaffen, der uns die Tiere zähmt. Ich dachte an einen kleinen Elitetrupp, der sich in die Hauptstadt von Haradon einschmuggeln könnte …«
Rahjel machte große Augen. »Du willst dich in eine haradonische Stadt schleichen? Bist du wahnsinnig? Ausgerechnet jetzt, wo der Krieg wieder angefangen hat!«
Alasar trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Er konnte nicht mehr lange warten und Rahjel wusste das. Unzufriedene Stimmen wurden immer öfter laut; ein paar Höhlenkinder waren gegen seine Pläne. Nicht jeder wollte das Höhlenreich verlassen. Nicht jeder sehnte sich nach Rache. Diesen Zweiflern käme es gerade recht, wenn Alasars Bemühungen umsonst waren und die Drachen, die sie auf gefahrvollen Wegen erbeutet hatten, wild und nutzlos für sie blieben. Ohne gezähmte Drachen konnten sie in keinen Kampf ziehen, das war eine Tatsache. Es hing alles von der Arbeit eines Zähmers ab.
»Wir werden Logond ja nicht angreifen. Nur ein paar schmuggeln sich hinein«, sagte Alasar. »Ein paar Männer genügen für eine Entführung.«
»Man würde uns sofort erkennen und für myrdhanische Spione halten.«
»Bei dem Punkt habe ich gleich an dich gedacht«, sagte Alasar lächelnd. »Du siehst nicht sehr myrdhanisch aus. Die dunklen Haare verstecken wir unter einer Kapuze. Abgesehen davon ist
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