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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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helfen.
    Inständig hoffte Rahjel, dass der Junge sich diesmal zugänglicher zeigte. Wenn nicht, würde Alasar nicht zögern, nach Haradon zu reiten, um einen anderen Zähmer zu besorgen. Natürlich hätten sie auch in Myrdhan jemanden finden können; doch mehr als haradonische Krieger fürchtete Alasar von myrdhanischen Soldaten entdeckt zu werden. Wenn sie sich dem myrdhanischen König offenbarten, dann erst, wenn Alasar den Augenblick für gekommen hielt.
    Der Weg machte eine Biegung. Sie gingen einen kleinen Geröllhang hinab und bogen in einen schmalen Felsgang. Tivam, der Rahjel und Alasar mit zwei Kriegern begleitete, beleuchtete den Weg mit einer großen Fackel.
    Rahjel beobachtete seinen Bruder mit sorgenvoller Miene. Tivam verehrte Alasar - er verehrte ihn so bedingungslos, dass es Rahjel manchmal fast unheimlich war. Alasar hatte fraglos das Talent, Menschen für sich zu gewinnen. Sie folgten ihm wie Kinder. Sie glaubten ihm sogar, dass sie Kinder waren, wenn er es sagte.
    Obwohl Alasars Gabe enorm war und auch er ihn aufrichtig bewunderte, wusste Rahjel nicht, ob er seine Gabe auch zum Guten einsetzen würde. Immer wieder, wenn er die Ergebenheit in den Blicken der Krieger sah, wenn er die Hurrarufe der Tunnelgräber hörte, wenn er Tivams Bewunderung bemerkte, überkam ihn eine dunkle Furcht. Fast schien es, als könne Alasar ihnen allen den eigenen Willen nehmen und dafür seinen in ihre Köpfe pflanzen. Doch ob sein Wille der richtige war?
    Rahjel schüttelte diese Gedanken ab. Alasar war sein Freund. Und die Gefühle, die ihm ganz ungewollt kamen, waren Verrat.
    »Da ist er«, sagte Tivam aufgeregt. Er beschleunigte seinen Schritt und hielt die Fackel hoch. Rahjel spürte, wie der Anblick ihm die Kehle zuschnürte. Benommen blieb er hinter Alasar stehen.
    Der Haradone im Karren schien bewusstlos zu sein. Dreck und getrocknetes Blut überzogen sein Gesicht. Als die beiden Krieger ihn aus seinem Käfig zerrten, sank sein Kopf zur Seite, doch seine Lider zuckten; er war zu sich gekommen.
    Alasar bedeutete den Kriegern, den Gefangenen loszulassen. Der Junge sank auf die Knie und Alasar ging vor ihm in die Hocke.
    Tivam hielt die Fackel näher. Der Lichtschein offenbarte dunkle Blutergüsse am Hals des Drachenkriegers.
    »Kannst du mich hören?«, fragte Alasar. Die Sanftheit in seiner Stimme wollte nicht zu dem Bild passen, das Rahjel sah.
    »Willst du essen? Trink.« Alasar zog einen Wasserschlauch von seinem Gürtel und legte ihn an die Lippen des Haradonen. Behutsam hielt er den Kopf des Jungen, während der trank. Revyn lief das Wasser aus den Mundwinkeln und er verschluckte sich.
    »Hast du nachgedacht?«, fragte Alasar. »Willst du uns helfen?«
    »Der ist doch schon halb krepiert!«, sagte Tivam. Er hatte nicht die Demütigung vergessen, als der Haradone ihm den Speer an den Hals gehalten hatte. »Alasar, der ist fast tot. Wir müssen einen neuen Zähmer finden.«
    »Halt den Mund«, sagte Rahjel leise und drückte Tivams Schulter.
    »Hilf uns«, befahl Alasar. »Stell dich nicht an! Dir passiert nichts, wenn du uns einfach mit den Drachen hilfst!« Das Fackellicht fiel auf die Augen des Haradonen, als er Alasar anblickte. Es waren Augen aus Schatten und Nebel.
    »Du bist ein Ahirah .« Man konnte ihn kaum hören. Bei jeder zweiten Silbe versagte seine Stimme. »Du wirst die Welt mit Leid überziehn. Aber nur, wenn du Drachen hast. Durch mich wirst du die Drachen bekommen. Wir sind verbunden … weil ich schuld bin an deinem Erfolg.« Schweigend starrten alle den Haradonen an, als er sich an die Gitterstäbe des Wagens klammerte.
    »In Ordnung«, sagte Alasar. Er stand auf, hob den Jungen hoch und legte ihn behutsam in den Karren. »Ich hole dir etwas zu essen. Schlaf, wenn du kannst. Morgen bringe ich dich zu den Drachen.«
    Rahjel glaubte zu hören, wie der Haradone etwas flüsterte. Einen Namen … Doch er hatte sich bereits abgewandt und folgte Tivam und Alasar zurück. Hinter ihnen verlor sich der Gefangene in schweigender Dunkelheit.
    Yelanah hatte den Weg bis zur Waldstraße zurück gefunden. Noch immer war die Erde aufgewühlt; die Abdrücke von Krallen, Wagenrädern und Pferdehufen hatten ein wildes Durcheinander in den Boden gegraben. Zerbrochene Speere, Holzsplitter und Pfeile waren zurückgeblieben. Die Leichen der Männer hatten andere Menschen bereits gefunden und mitgenommen - nur hier und da, in den Büschen, lag ein toter Drache oder ein Pferdeleichnam.
    Yelanah stand eine lange

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