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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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auch ein, dass …«
    »Nein, Rahjel. Du siehst gar nichts ein. Du kapierst einfach nicht, um was es geht. Findest du unser Leben normal? Antworte! Findest du es normal, dass wir hier in den Höhlen leben? Dass wir uns verstecken wie verdammte Hasen vor dem Fuchs?«
    »Nein. Aber es ist unser Leben.«
    Alasar stöhnte. »Dann hab ich dir nichts mehr zu sagen. Geh.«
    »Alasar …« Rahjel drehte sich seufzend zum Gehen um, dann hielt er inne und trat ins Zimmer. »Ich habe dich nie enttäuscht. Du weißt, dass ich hinter dir stehe. Immer. Ich bin dein Freund.«
    »Wirklich?«, fragte Alasar leise, während der Stein die Klinge entlangstrich.
    »Ich werde dir überallhin folgen, wenn du willst. Aber ich mache mir Sorgen um uns alle. Was wird aus uns, wenn wir scheitern? Was, wenn wir unseren Feinden nicht gewachsen sind? Denk an Magaura.« Er flüsterte fast.
    Alasar senkte sein Messer und lehnte sich gegen die Wand. Eine Weile betrachtete er Rahjel. Das Verständnis, die Sanftheit in seinen Augen machten Alasar wütend und traurig zugleich. Er musste plötzlich daran denken, wie Rahjel früher gewesen war, als Kind; er erinnerte sich an den Jungen, der ihm in der niedergebrannten Hütte das Leben gerettet hatte. Es waren noch immer dieselben Augen, die ihn ansahen. Augen voller Treue, die offen zeigten, dass er bereit war, alles zu tun - aber es ungern tat.
    »Weißt du noch, im verbrannten Dorf?«, fragte Alasar leise. Rahjel bewegte sich nicht und doch schien sein Gesicht sich verwandelt zu haben. Alasar wusste sofort, dass er an die gleichen Bilder dachte. Trotz ihrer Streitigkeiten waren sie sich plötzlich nah, als stünden sie sich wieder das erste Mal gegenüber, mit dem gemeinsam getöteten Haradonen zwischen sich.
    »Du hast mir damals das Leben gerettet.« Rahjel nickte kaum merklich. Er war wie Alasar in der Erinnerung an jenen Augenblick gefangen, da ihre Freundschaft begonnen hatte, und schwieg.
    »Diesmal, in diesem Kampf, werde ich dich retten. Du musst es nur zulassen.«
     
    Seit Ijua ihm von Yelanah berichtet hatte, dachte Revyn an nichts anderes. Vor Sorge und Hilflosigkeit wurde er so unruhig, dass er in dem Gitterwagen, in den er jeden Abend zurückgebracht wurde, zu ersticken glaubte. Was, wenn sie die Höhlen erreichte und ebenfalls gefangen genommen wurde? Alasar und seine Anhänger waren so unberechenbar, dass Revyn ihnen alles zutraute.
    Die Drachen wurden ungeduldig. Noch taten sie, worum Revyn sie bat. Doch wie lange würde es dauern, bis Alasar sie tatsächlich benutzen wollte? Bevor es dazu kam, musste Revyn frei sein, Yelanah finden, alle wilden Drachenstämme versöhnen und die gefangenen Drachen befreien. Er klammerte sich an den Gedanken, dass er alles wiedergutmachen würde.
    Als die Wochen verstrichen, versank Revyns Hoffnung. Immer wenn er alle Drachen gezähmt hatte, brachte Alasar neue. Und wieder neue. Er trieb Zügel aus Eisenketten auf, wie manche Windreiter sie benutzten, um ihre Drachen besser unter Kontrolle zu haben, und Sattel, Flügelriemen, Drachenschlaufen und Sicherheitsgurte für den Flug. Ob er diese Dinge erbeutete wie die Drachen oder ob er sie mit irgendwelchen Händlern tauschte, wusste Revyn nicht. Er sah zu, wie eine Armee von Drachenkriegern entstand, doch recht fassen konnte er es nicht. Bald wollte Alasar, dass er nicht nur ihm, sondern auch anderen Höhlenkindern beibrachte, auf den Drachen zu reiten und sie zu fliegen. Revyn selbst durfte dabei natürlich kein einziges Mal auf einen Drachenrücken, denn Alasar gestattete ihm nicht die geringste Fluchtmöglichkeit.
    Revyns nagende Verzweiflung wurde von der dahinrieselnden Zeit fortgeweht. Irgendwann fühlte er nur noch Gleichmut, war innerlich blank und leer wie eine freigelegte Ruine. Alasar würde ihn nicht freilassen. Niemals. Längst hatte er begonnen, die Drachen für seine Raubzüge zu benutzen und in seine Gefechte zu reiten. Er hatte sein Wort gebrochen. Revyn hätte es von Anfang an wissen müssen.
    Oft versuchte er, sich einen Weg auszudenken, um zu flüchten oder die gefangenen Drachen zu einem Aufstand zu bewegen wie Yelanah damals in Logond. Aber er verbrachte keinen einzigen Augenblick außerhalb seines Gefängnisses, ohne von Alasars Kriegern bewacht zu werden. Auch die Drachenkäfige wurden von den Höhlenkindern gehütet - nie war Revyn mit den Drachen alleine. Nur der Gedanke an Yelanah spendete ihm Trost. Wenn sie ihn hier fände … vielleicht könnte sie ihn und die Drachen befreien

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