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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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… Aber Revyn wollte sich nichts vormachen. Yelanah konnte Alasars Krieger nicht besiegen. Sie wusste doch nicht einmal, wo Revyn war.
     
    Im Schlaf hörte er die Stimme eines Mädchens. Sie rief nach ihm, leise und dringlich. »Wach auf! Wach auf …« Blinzelnd öffnete er die Augen. Dann wurde ihm bewusst, wieso er erwacht war - er hörte tatsächlich eine Stimme! Er hatte nicht geträumt.
    Vor seinem Gitterwagen stand ein dunkelhaariges Mädchen. Für einen kurzen, schmerzhaften Augenblick dachte er, es sei Yelanah.
    Doch der Schein der nahen Fackel tanzte auf einem anderen Gesicht. Revyn hatte das Mädchen schon ein paarmal unter den Höhlenkindern gesehen.
    »Hör mir zu«, flüsterte sie. In ihren Augen rangen Furcht und Entschlossenheit. »Ich lasse dich frei. Ich zeige dir den Weg nach draußen. Lauf fort und komm nie wieder … ja?«
    Revyn starrte sie fassungslos an. Vielleicht träumte er doch noch. »Wer bist du?«
    »Das kann ich nicht sagen.« Das Mädchen sperrte die Gittertür mit zitternden Fingern auf. Dann trat sie zur Seite und wartete, dass Revyn hinauskam. Er konnte es nicht glauben. Es musste irgendeine Falle sein. Aber warum? Er begriff es nicht.
    »Willst du nicht fort?«, fragte das Mädchen zaghaft. Stockend kletterte Revyn aus dem Wagen. Ganz leicht könnte er sie überwältigen, die Fackel von der Wand reißen und in die unbekannte Finsternis der Höhlen flüchten. Es wäre ganz einfach …
    »Komm schnell«, sagte das Mädchen und lief ihm voraus in die Dunkelheit. Revyn folgte ihr zögernd.
    Bald war das Licht der Fackel hinter ihnen verschwunden. Unbeholfen stolperte Revyn voran. Ganz nah hörte er die flinken Schritte der Fremden. »Gib mir deine Hand«, sagte sie leise. Er fühlte ihre Finger, die nach seinem Arm tasteten und hinab zu seiner Hand glitten. Als sie ihn hielt, zog sie ihn hinter sich her.
    Hin und wieder flüsterte sie ihm Befehle zu: »Zieh den Kopf ein«, oder »Links ist eine Wand«, oder »Wir gehen bergauf.« Sonst schwiegen sie. Ihre umschlungenen Hände und die undurchdringliche Finsternis schufen eine Nähe zwischen ihnen, die Revyn verwirrte. Er wusste von seiner Führerin nur, dass sie zu Alasar gehörte - und doch zeigte sie ihm den Weg durch die Dunkelheit. Hier wo er sie nicht sehen konnte, nur ihre Hand fühlte, war sie die Verkörperung seiner naivsten Fluchtträume, zu schön, um wahr zu sein.
    Nach Stunden, wie Revyn schien, zeichnete sich vor ihnen ein bleicher Schimmer ab, kaum mehr als ein Hauch von Helligkeit. Seine mysteriöse Retterin verwandelte sich wieder in das Mädchen, das aus einer Laune heraus beschlossen haben musste, Alasar einen Streich zu spielen.
    Sie kletterten einen Geröllhang hinauf und erreichten das Licht. Es war Mondlicht. Vor ihnen lag eine Felsöffnung. Revyn trat mit weichen Knien hinaus. Unendlich weit, unendlich schön lag der nächtliche Himmel über der Welt und übergoss Revyn mit dem Licht des Vollmondes wie mit einem Schwall von Liebkosungen.
    »Nun geh«, sagte das Mädchen schwach. Revyn drehte sich zu ihr um. Er wollte hundert Dinge sagen, aber er konnte nicht ausdrücken, was er empfand. Die Fremde nickte ihm zu und hob die Hand zum Abschied. Das Mondlicht fiel auf ein Schmuckstück an ihrem Handgelenk. Revyn erkannte den Armreif von Prinzessin Ardhes sofort wieder. Der Gedanke an Ardhes, Octaris und jetzt seine unbekannte Retterin überwältigte ihn und ihre Gesichter schienen sich zu einem unbegreiflichen Netz des Schicksals zusammenzufügen.
    »Lebe wohl«, sagte das Mädchen.
    Revyn drehte sich um. Er hatte das Gefühl, jemand anderes würde für ihn zu gehen beginnen, dann zu laufen. Er lief durch die Nacht, stolperte Hügel hinauf und schlitterte hinab, lief und lief und lief, bis er keuchte und nichts empfand außer der süßen Erschöpfung seines Körpers.

Verräter
    Alasar konnte es nicht fassen. Ein Verräter hatte den haradonischen Zähmer freigelassen.
    »Schickt Suchtrupps aus«, befahl er. »Durchsucht alle Gänge und Tunnel. Und holt mir alle her, die letzte Nacht die Ausgänge bewacht haben!« Seine Krieger liefen los. Wenig später kamen die Wachposten zu ihm. Keiner von ihnen hatte etwas bemerkt oder den Flüchtling gesehen.
    »Dann ist er also noch unter der Erde«, überlegte Alasar. »Oder er hat einen geheimen Ausgang gefunden, irgendwo weitab …« Er drehte sich zu Rahjel um, der bis jetzt schweigend hinter ihm gestanden hatte. »Der Verräter kennt sich gut aus. Er hat ihn zu einem

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