Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
blieb wie versteinert stehen. Das Seufzen war längst verstummt, doch es hallte noch in seinen Ohren nach. War das der Wind gewesen? Es hatte so menschlich geklungen.
    Endlich konnte er sich wieder bewegen und ging weiter. Das leise Gemurmel wurde lauter … klarer. Alasar verstand einzelne Worte. Es war kein Wind. Es waren Stimmen. Mit angehaltenem Atem blieb er in der Dunkelheit stehen und starrte auf die beiden Gestalten im Fackelschein.
    Er hielt sie in den Armen. Ihre Hände lagen in seinem Nacken. Ihre Gesichter waren sich ganz nah. Das flackernde Licht ließ die Tränenspuren auf Magauras Wangen glänzen.
    »Er weiß es«, schluchzte sie. »Er weiß es. Er weiß es …«
    »Beruhige dich! Er denkt nur, dass es einen Verräter gibt, aber er weiß nicht, wer! Er würde dich nie verdächtigen.«
    »Wir hätten es nicht tun sollen!« Sie machte sich von ihm los, doch ihre Hände umschlangen einander. »Es war ein Fehler, ihn freizulassen. Wir hätten den Jungen umbringen sollen! Jetzt müssen wir in den Krieg, uns bleibt gar keine andere Wahl, weil uns das haradonische Heer finden wird. Alasar hatte recht, von Anfang an. Wir hätten all seine Pläne befolgen müssen. Er weiß am besten, was zu tun ist.«
    »Sei nicht albern. Alasar reitet uns alle in den Untergang. Was wir getan haben, war richtig.«
    »War es das wirklich?«
    »Aber ja. Jetzt hört der Wahnsinn auf. Keine neuen Drachen mehr.«
    »Was ist mit den Haradonen? Wenn der Zähmer uns verrät, müssen wir doch kämpfen, ob wir wollen oder nicht.«
    »Wir verstecken uns. Die Höhlen sind riesig! Niemand wird uns finden. Wir müssen Alasar nur dazu bringen, dass er seinen Krieg vergisst.«
    »Aber wie …«
    »Wenn wir die Drachen freilassen, bleibt ihm nichts anderes übrig. Dann können wir hierbleiben. Für immer.«
    »Ich will nicht noch mehr riskieren. Wie sollen wir die Drachen denn freilassen? Sie werden doch bewacht.«
    »Wir finden einen Weg. Vertrau mir.«
    »Das tu ich doch. Ich … ich weiß ja, dass wir das Richtige tun. Aber wieso fühlt es sich so falsch an?«
    »Es ist auch für mich schwer! Glaubst du, Alasar ist mir nicht wichtig? Es tut mir weh, ihn zu belügen, und ich wünschte, wir könnten ihm alles sagen. Über unsere Angst. Und über uns beide …«
    »Das können wir niemals. Er würde - nein, das können wir ihm niemals sagen. Er würde sich verraten fühlen. Du kennst ihn doch.«
    »Dann müssen wir mit der Lüge leben.«
    »Ja. Er tut mir leid. Das muss man sich vorstellen! Glaubst du, er tut irgendjemandem sonst leid?«
    »Nein, die haben alle Angst vor ihm. Er macht auch mir manchmal Angst.«
    »Mir auch.«
    »Aber nichts wäre schlimmer, als dich nicht zu haben. Keine Angst und kein Verrat wären schlimmer.«
    Lange schwieg Magaura und blickte Rahjel in die Augen. »Es könnte so schön sein. Ich liebe die Höhlen. Ich will sie nicht verlassen. Und dich will ich nicht verlieren. Jedes Mal, wenn ihr auf Raubzügen wart, konnte ich vor Sorge um dich nicht schlafen. Es war, als hättest du mein Herz mitgenommen. Ich hab fast die Luft angehalten, bis du zurückgekommen bist. Wenn du irgendwann nicht zurückkommst, sterbe ich.« Ihre Nasenspitze berührte seine Wange. Rahjel neigte das Gesicht. Ihre Lippen fanden sich.
    Alasar wich zurück. Die Schatten griffen nach seinen Schultern und schienen ihn wie von selbst den Felsgang zurückzuziehen. Lautlos rannte er durch die Finsternis der Höhlen.
     
    Magaura hatte das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden, als sie zu ihrem Lager ging. Immer wieder drehte sie sich um und spähte in alle Richtungen, doch niemand war da. Und selbst wenn - was hatte sie denn zu befürchten? Von Rahjel und der anderen Sache wusste niemand. Trotzdem fühlte sie sich, als zögen ihr alle Gedanken sichtbar durch die Augen. Was sie brauchte, waren Ruhe und ein erholsamer Schlaf. Sie trat in ihre Kammer ein.
    Erschrocken schnappte sie nach Luft: Alasar stand vor ihr. »Oh, du hast mich erschreckt. Was machst du hier?« Er starrte sie an. Seine Augen waren so dunkel und leer … als sei er gar nicht mehr vorhanden, als stünde nur noch die seelenlose Hülle seines Körpers da. Magaura spürte, wie eine Gänsehaut ihre Arme heraufkroch. »Wieso sagst du nichts?« Ihre Stimme klang erstickt. Sie wusste, wieso, und Alasar wusste es auch. In der Stille zwischen ihnen gab es keine Geheimnisse mehr. Er wusste es.
    »Alasar …«
    Er lächelte. Das Lächeln verwandelte sein Gesicht in eine Fratze, als er einen

Weitere Kostenlose Bücher