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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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und wischte sich den Mund mit seiner Serviette ab.
    Dann verließ Ardhes die Speisehalle. Vor der Tür wartete bereits Candula auf sie. Schweigend gingen sie in ihr Gemach zurück. Nur einmal klopfte Candula ihr liebevoll auf die Schulter und fragte: »Und? War es lecker?«
     
    Ardhes konnte nicht einschlafen. Als Candula schon längst schnarchte, lag sie noch immer wach in ihrem Bett und drehte nachdenklich den Armreif in ihren Händen, den ihr Vater ihr geschenkt hatte. Er fühlte sich wunderbar glatt und kühl an.
    Irgendwie kamen die Kissen ihr heute nicht gemütlich genug vor, um darin müde zu werden. Ihre Decke verrutschte immer wieder und allmählich wurde sie unruhig. Wenn sie ganz schnell rannte, draußen in der Nacht, vielleicht würde sie dann das Kribbeln in ihren Beinen loswerden.
    Schließlich setzte sich Ardhes auf, es war zwecklos, jetzt schlafen zu wollen. Eine Weile starrte sie gedankenverloren auf das Fackellicht, das die Blumen und Schmetterlinge auf ihrem Armreif schillern ließ. Dann legte sie das Schmuckstück an und stieg aus dem Bett. Auf leisen Sohlen schlich sie an ihrer schlafenden Amme vorbei und hinaus auf den Balkon, um über die Außentreppe auf die andere Seite des Schlosses zu gelangen.
    Ardhes lief schnell durch die Dunkelheit. Kein Lichtschimmer half ihr, die Stufen zu erkennen; es gab weder Fackeln noch leuchtete der schmale Sichelmond hell genug, um den Dingen Umrisse zu verleihen. Sie war allein auf die raue Steinmauer angewiesen, die unter ihren Fingerspitzen hinwegglitt.
    Endlich erreichte sie die Terrasse an der Wehrmauer. Die Soldaten, an denen sie vorbeihuschte, blickten überrascht auf, hielten sie aber nicht zurück. Im Inneren des Schlosses war ihr plötzlich fast noch unheimlicher zumute als draußen. Die flackernden Lichter der Fackeln tanzten wie Dämonen durch die finsteren Hallen, und überall sprang eine Fratze aus den Schatten, nur um gleich wieder zu verschwinden, sobald Ardhes sich erschrocken umdrehte.
    Der Wind kroch durch die Steinmauern und schien ihr fürchterliche Worte zuzumurmeln. In der Ferne ächzte das Gebälk, als würde jemand stöhnen.
    Wohin lief sie überhaupt? Sie wusste es selbst nicht. Wäre sie doch einfach im Bett geblieben … doch ein Teil in ihr drängte sie weiter. Aber wohin? Und dann wusste sie, was sie wollte: Sie hatte jetzt Lust zu essen. Ardhes erinnerte sich an einen köstlichen Zimtapfel, den sie auf ihrem Teller hatte liegen lassen. Zufällig - oder vielleicht instinktiv? - war sie sogar schon auf dem Weg zur Speisehalle.
    Als sie die hohe Doppeltür erreichte, zog sie ganz vorsichtig am Türgriff, so als täte sie etwas Verbotenes und dürfe sich dabei nicht erwischen lassen. Dabei durfte sie sich ja nach Belieben von den Überresten des Abendessens nehmen - das war sogar Küchenjungen und Gänsemägden erlaubt.
    Die Lampen in den Wandnischen waren zu kleinen glutroten Flämmchen geschrumpft. Die Speisehalle kam Ardhes im schummrigen Licht vor wie ein riesiger Backofen. Sie hatte Glück: Die Dienerschaft hatte die Tafel noch nicht abgeräumt. Die Bronze- und Silberteller schimmerten, als wären sie glühend heiß, und der übrig gebliebene Braten glänzte. Ardhes huschte näher, ging an den Stühlen vorbei und suchte die Speisen ab, bis sie ihren glasierten Apfel entdeckte. Sie nahm ihn vorsichtig in eine Hand, denn er war sehr klebrig, und wollte gerade hineinbeißen, da erklang ein Geräusch. Sie fuhr erschrocken zusammen. Fast hätte sie den Apfel fallen gelassen.
    Das Geräusch war aus einem anliegenden Gemach gekommen. Die Tür war nur angelehnt. Und da - wieder hörte sie etwas. Es klang wie der Wind, der im Flur wisperte. Ein hauchiges silbriges Geräusch, als würde jemand leise atmen.
    Mit stockenden Schritten ging Ardhes auf die Tür zu. Ein Flüstern drang aus dem Raum, doch es zerstob, noch ehe es ihre Ohren erreichen konnte. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen. Ein dämmriger Streifen Licht fiel auf ihr Gesicht, als sie ins Zimmer spähte.
    »Helrodir«, flüsterte ihre Mutter. Ihre Stimme war nicht wiederzuerkennen. »Helrodir …« Zwei Gestalten bewegten sich hinter dem roten Stoffvorhang, der den Raum in der Mitte teilte. Ihre Arme waren verschlungen. Ihre Köpfe waren sich nah, als würden sie sich heimliche Dinge zuraunen. »Helrodir … wie habe ich dich vermisst! Liebster …«
    Ardhes lief davon. Als sie an der Tafel vorbeikam, legte sie den Apfel auf den Teller zurück. Geräuschlos zog sie die hohe

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