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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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bemerkte ihr Vater. »Aber an dem Tag, an dem du eine junge Frau bist und heiraten willst, wird er dir passen. Bewahre ihn bis dahin gut.«
    »Wo hast du das her?«, fragte Königin Jale.
    Octaris drehte leicht den Kopf in ihre Richtung, ohne sie direkt anzusehen. »Ich besitze noch einige Dinge, die darauf warten, an eine Dame verschenkt zu werden.«
    Ardhes beobachtete beunruhigt, wie die Oberlippe ihrer Mutter zuckte. Der König erhob sich und seine Hand streifte flüchtig Ardhes’ Wange.
    Ihre Eltern ließen sich auf ihren Stühlen nieder. Ardhes betrachtete verzückt ihren neuen Armreif. Wie das Porzellan schimmerte! Es sah aus, als zögen sich lauter winzige Äderchen durch die Schmetterlingsflügel, die roten Blüten und die grünen Blätter, die alles umschlossen.
    Ardhes hob den Kopf erst, als laute Trompeten erklangen. Die haradonische Gefolgschaft hielt Einzug ins Schloss. Sofort eilten draußen im Hof Stallknechte herbei, um die Soldaten zu empfangen. Der König, der an der Spitze geritten war, lief allein die breite Treppe zur Halle hinauf. Dann trat er ein und schritt, ohne innezuhalten, weiter.
    Ardhes betrachtete den Mann, der da so selbstverständlich in ihr Schloss spazierte, mit Respekt. Er war in den besten Jahren, mit dichtem strohblondem Haar, einem säuberlich gestutzten Bart und einem kompakten Körper, der sich voller Tatendrang bewegte. Ein schmutziger dunkelroter Umhang wehte hinter ihm her.
    Spätestens als die Zofen sich tief verneigten, konnte Königin Jale sich nicht länger zurückhalten. Sie schoss von ihrem Thron hoch und Ardhes erhob sich ebenfalls eilig. Während sie ihren Knicks machte, warf sie einen Blick zur Seite und stellte erleichtert fest, dass auch ihr Vater aufgestanden war und eine Verneigung andeutete.
    »König Octaris!«, rief der König von Haradon, öffnete die Arme, wobei er in der einen Hand noch seinen Helm hielt, und verbeugte sich. »Deine Frau ist noch schöner geworden, als ich sie in Erinnerung hatte.«
    »Cousin!«, murmelte Königin Jale und lief die Stufen der Empore hinunter. Kurz vor dem König von Haradon blieb sie stehen und straffte den Rücken. »Helrodir. Ich bin so froh, dich gesund und siegreich wiederzusehen. Es ist mir eine Ehre.«
    »Die Ehre ist die meine«, lächelte König Helrodir. »Sicher bist du hungrig und erschöpft«, fuhr Königin Jale fort. »Ich habe mir erlaubt, zu deinen Ehren ein kleines Festessen vorbereiten zu lassen. Im engsten Kreis der Familie.«
    Eine Weile erwiderte Helrodir Jales Blick, dann irrten seine Augen zu Ardhes und ihrem Vater. »Nun! Dann werde ich meine Generäle und Minister wohl ausschließen müssen!« Er lachte kurz auf.
    Königin Jale wandte sich zur Empore um. »Octaris, darf ich hoffen, dass du unserem bescheidenen Festessen beiwohnst? Ardhes, komm her, wir wollen speisen.«
    Ardhes kam die Stufen hinunter, machte einen zweiten Knicks, als sie vor dem König stand, und folgte ihm und ihrer Mutter aus dem Empfangssaal. Als sie zurückblickte, sah sie, dass ihr Vater hinter ihnen herschlich. Er trug ein neugieriges Lächeln auf den Lippen, wie ein Kind im Puppentheater. Und doch schien es, als wisse er bereits, welches Stück ihn erwartete.
     
    Das Bankett fand in einer kleineren Halle statt, die von Kerzenleuchtern erhellt wurde. Bestickte Wandteppiche zeigten Szenen von Hirschjagden in Wäldern, die es in Awrahell gar nicht gab, und von Hochzeiten an Brunnen vor herrschaftlichen Burgen, über denen bunte Singvögel flogen. Mit Bedacht hatte Königin Jale eine Speisehalle gewählt, die ausschließlich nach Art der Menschen eingerichtet war. Und natürlich wurde das Essen nicht auf dem Boden serviert wie bei den Elfen, sondern auf einem massiven schwarzen Marmortisch. König Helrodir von Haradon saß an einem Tischende, Königin Jale hatte ihm gegenüber Platz genommen, und Ardhes und ihr Vater saßen links und rechts von ihr. Neben der hohen Eingangstür standen Diener, die auf Befehle warteten.
    Eine dichte, schwere Stille hing über ihnen. Nur Besteck, das auf Teller kratzte, und hauchfeines Gläserklirren. Dafür schienen die Blicke laut und ungeniert durcheinanderzusprechen - Blicke der Königin, die zwischen ihrem Cousin und ihrem Gatten hinund herflogen, Blicke des Elfenkönigs voller Verachtung und Belustigung, und Blicke des Königs von Haradon, die kühl und brennend an dem Ehepaar hingen. Ardhes wurde nicht beachtet und so konnte sie ungehindert alles beobachten.
    »Erzähl doch etwas von

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