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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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bei den Felsen geholt hatte, schabte sie die Kruste ab. »Au!«
    »Reiß dich zusammen, Liebes.« Ihre Mutter ließ ihre Hände wieder los und streichelte ihr Gesicht. »Komm, der König wird gleich eintreffen.« Damit zog sie Ardhes die Empore hinauf. Drei Stühle standen bereit - zwei große mit Lehnen aus Eichenholz und ein kleinerer Hocker.
    »Und vergiss nicht, mein Herz, wenn der König eintrifft, stehst du auf und machst einen Knicks, aber nur einen sehr kleinen, und achte darauf, den Kopf nicht zu tief zu neigen.« Sie hatten die Stühle erreicht und Königin Jale drückte Ardhes sanft auf den Hocker. »Zeig mir, wie du aufstehst und deinen Großcousin begrüßt, mein Engel.« Ardhes gehorchte. Sie erhob sich, machte einen sehr kleinen Knicks und neigte den Kopf nur leicht.
    »Wunderschön«, lobte Königin Jale. »Aber starr ihn nicht so an, wie du mich jetzt anstarrst, er soll nicht denken, dass du eine Kuh bist, oder? Halte den Blick ein wenig gesenkt. Und platze nicht mit irgendwelchen Fragen heraus, hast du verstanden? Königen fällt man nicht ins Wort. Wenn du etwas gefragt wirst, antworte höflich und kurz und erzähl keine langen Kindergeschichten, die erwachsene Leute langweilen, ja?« Ardhes musste darauf nichts erwidern. Sie erzählte nie irgendwelche Geschichten und würde gewiss nicht aus heiterem Himmel damit anfangen.
    Königin Jale drehte sich einmal im Kreis und betrachtete die Halle unter ihr. »Ach, wo bleibt denn nur dieser … - Valja, sieh nach, wo der König steckt!«, rief sie einer ihrer Zofen zu.
    Die junge Frau zögerte. »Welchen König meint Ihr, Herrin?« »Welchen wohl, meinen Gatten, du Gans!«, fauchte Jale. Die Zofe machte einen Knicks und verschwand.
    »Mutter?«, fragte Ardhes. »Bringt der König von Haradon denn seine Familie mit? Er hat doch zwei Töchter, die nur ein bisschen älter sind als ich.«
    Ein Zucken ging um den Mund der Königin, als sie Ardhes anlächelte. »Nein, Schatz, seine Familie ist nicht dabei. Du hast wohl vergessen, dass er aus dem Krieg kommt!« Ardhes fuhr bei dem scharfen Tonfall der Königin zusammen und beschloss ab jetzt zu schweigen. Während ihre Mutter unruhig auf der Empore auf und ab ging und abwechselnd ihren Zofen Befehle und Beschimpfungen zurief, saß sie wartend auf ihrem Hocker.
    Dann erschien ihr Vater aus einem Seitengang. Königin Jale setzte das Lächeln auf, das sie in Gegenwart ihres Gatten immer zur Schau trug, und stützte eine Hand auf die Hüfte.
    »Octaris. Wie freundlich von dir, uns mit deiner Anwesenheit zu beehren.« Irgendetwas in Jales Stimme widersprach ihren schmeichelnden Worten, fand Ardhes. König Octaris stieg mit gleichmütiger Miene die Stufen zur Empore hinauf. Auch wenn sein Auftritt wirkte, als schere er sich nicht um den bevorstehenden Empfang, strafte seine Garderobe ihn Lügen: Er trug ein feines, hellblaues Wams und einen kurzen Umhang mit aufwendigen Silberstickereien, die gut zu seinem offenen Haar passten. Königin Jale stieß ein amüsiertes Schnauben aus, als sie bemerkte, dass er keine Krone trug, sondern lediglich ein dünnes Flechtband.
    »Du siehst gut aus, Jale«, bemerkte er mit einem undurchschaubaren Lächeln. »So hergerichtet habe ich dich selten zu Gesicht bekommen.«
    »Nun.« Jale kämpfte gegen die kleine Zornesfalte zwischen ihren Augenbrauen an und glättete mit den Händen eine Falte in ihrem Kleid. Verglichen mit dem König, wirkte sie so impulsiv, als könne man ihre Gedanken in ihren Augen ablesen. Vielleicht konnte Octaris es sogar und lächelte aus diesem Grund.
    »Willst du Platz nehmen? Der König von Haradon muss jede Minute hier eintreffen.«
    König Octaris trat sehr nah an ihr vorbei, setzte sich aber nicht, sondern ging vor Ardhes in die Hocke. »Hallo, meine Ardhes- ayen .«
    Ardhes warf ihrer Mutter einen hilflosen Blick zu, die sie wütend anfunkelte.
    »Ich habe etwas für dich«, fuhr ihr Vater fort und zog etwas aus seinem Wams. Es war ein wunderschöner Armreif aus Gold, in das schwarzes Porzellan eingelegt war. Auf dem Porzellan waren schillernde rote Blumen und gelbe Schmetterlinge abgebildet, die von verschnörkelten Ornamenten umrandet wurden.
    »Gib mir deinen Arm«, sagte der König, und Ardhes streckte ihn aus. Der Armreif hatte einen Sprungfederverschluss, der auf- und zuschnappen konnte. König Octaris legte ihr das Schmuckstück an und Ardhes konnte es eine Weile nur anstarren.
    »Danke«, murmelte sie.
    »Er ist dir noch ein wenig zu groß«,

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