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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Tür der Speisehalle hinter sich zu, und das spärliche Licht und die murmelnden Stimmen verschwanden, als hätte sie das Tor zu einer anderen Welt geschlossen. Ohne nachzudenken, rannte sie durch die stumme Dunkelheit, Flure entlang, Treppen hinunter, durch Hallen und Säle. Ihre nackten Füße auf dem Steinboden, das Flattern ihres Nachthemds waren die einzigen Geräusche. Ihr Kopf war leer, gedanken- und wortlos. Nur ein dumpfer Schreck, etwas unter der Oberfläche ihres Bewusstseins, verriet ihr, dass das, was sie gesehen und gehört hatte, nicht richtig war. Es war ganz und gar nicht richtig.
    War das die Welt der Erwachsenen? Die der Könige? War das die wahre Welt mit ihren Geheimnissen und Ränkespielen, zu der auch Ardhes eines Tages gehören sollte?
    Sie wusste es nicht. Und dass sie es nicht wusste, war vielleicht das Schlimmste.
     
    Ardhes konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Nachdem sie eine Weile ziellos gelaufen war, hatte sie sich schließlich neben eine Rüstung in einer Wandnische gekauert und verschnauft. Ihre Füße waren fast taub vor Kälte, doch ihr Gesicht glühte. Lange saß sie nur da, die Arme um die Beine geschlungen, und beobachtete eine einzelne Fackel in der Ferne. Mal versuchte sie nachzudenken, was gerade geschehen war, und mal versuchte sie, es ganz aus ihrem Kopf zu verdrängen.
    Als sie langsam zu frösteln begann und ihre Augen immer schwerer wurden, kroch Ardhes wieder aus der Nische heraus. Sie fühlte sich wackelig auf den Beinen und so unvertraut mit sich selbst und ihrer Umgebung, als sei sie in einen unangenehmen Traum geraten. Mit leisen Schritten ging sie los.
    Ardhes kehrte nicht in ihr Zimmer zurück. Sie würde jetzt nicht schlafen können - vielleicht wollte sie auch gar nicht schlafen. Die Müdigkeit ihres Körpers war wie eine Beleidigung für ihr schockiertes Inneres und dem würde sie nicht nachgeben. Ohne den Blick zu heben oder stehen zu bleiben, schritt sie an den beiden Wachen vorbei ins Gemach des Königs. Obwohl die Nacht kühl war, lag ihr Vater draußen auf seinem Balkon wie ein Tier, das sich zum Schlafen nur mit dem dunklen Himmelszelt zudecken will.
    Ardhes blieb am Rand des Balkons stehen. Octaris lag mit offenen Augen auf dem Rücken und starrte zum Mond auf. Obwohl er sie bemerkt haben musste - denn er bemerkte alles -, regte er sich nicht. Nicht einmal seine Wimpern zuckten. Er lag da wie ein Toter.
    Nachdenklich drehte Ardhes ihren neuen Armreif in den Händen und starrte auf König Octaris herab. »Du bist ein Feigling.«
    Ihre Stimme ließ sie selbst schaudern, so kalt klang sie. Sie schluckte. Ihr Vater beachtete sie nicht. »Du versteckst dich ja hier. Du sagst, du hast Dinge zu tun. Aber du tust nichts. Gar nichts.« Ihr Vater bewegte keinen Muskel.
    Langsam ging Ardhes am Balkongeländer entlang, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Mit dem Rücken an das Geländer gelehnt, blieb sie stehen. Namenloser Zorn saß ihr wie ein Knoten in der Brust. Oder war es noch etwas Schlimmeres? Ja, vielleicht war es kein Zorn … sondern Verachtung.
    »Es stimmt wirklich«, fuhr Ardhes fort. »Die Elfen haben etwas Schwachsinniges an sich.«
    Ihr Vater fuhr auf. Das lange Haar glitt von seinen Schultern, als er sich aufrecht hinsetzte. Für einen Augenblick fürchtete Ardhes, sie sei zu weit gegangen und er würde ihr eine Ohrfeige geben oder sie anschreien - aber er blieb nur sitzen. »Mag sein«, sagte er schlicht.
    Das war alles. Ardhes spürte, wie der Knoten in ihrer Brust ihr fast die Luft abschnürte.
    Das Gesicht des Königs schien wie aus Elfenbein geschnitzt. »So spät noch wach, meine Tochter? Plagt dich etwas, das du mir anvertrauen willst, hat dir etwas den nächtlichen Frieden geraubt, Ardhes- ayen ?« Er flüsterte ihren Namen. Ardhes klammerte sich mit beiden Fäusten an ihren Armreif, ohne ein Wort sagen zu können. Die Augen des Königs wirkten unnatürlich hell. Ein Licht spiegelte sich in ihnen, das von nirgendwoher zu kommen schien. Seine Stimme war glatt, ohne wahren Klang, als er erneut zu sprechen begann: »Mit stockenden Schritten ging Ardhes auf die Tür zu. Ein Flüstern drang aus dem Raum, doch es zerstob, noch ehe es ihre Ohren erreichen konnte. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen. Ein dämmriger Streifen Licht fiel auf ihr Gesicht, als sie ins Zimmer spähte.
    Helrodir, flüsterte ihre Mutter. Ihre Stimme war nicht wiederzuerkennen. Helrodir …«
    Ardhes bekam kaum Luft. »Woher weißt du das?« Kalter Nachtwind

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