Das Drachentor
langen Steinweg hinauf. Die Tore am Ende waren geschlossen. Jasicur rief dem Wachposten an der Wehrmauer einen Befehl zu und nach einem kurzen Wortwechsel wurde ihnen geöffnet.
Sie kamen in einen überfüllten Innenhof. Menschen und Tiere liefen durcheinander. Überall drängten sich Soldaten durch die Menge, zerrten sich wehrende oder bewusstlose Gestalten auf Karren und bewachten die Wagen, die von den Kornspeichern ins Innere des Schlosses transportiert wurden.
»Wartet hier«, sagte Jasicur zu Alasar und den Höhlenkindern, als sie vor den Schlosseingängen ankamen. Alasar blickte dem General nach, als er im Torbogen verschwand. Seine Soldaten blieben zur Bewachung zurück.
Noch immer flogen Windreiter über Isdad, doch es waren weniger geworden. Jedes Mal wenn ihre Schatten über den Innenhof huschten, erhob sich eine Woge von Rufen, und Leute zeigten in die Höhe. Alasar schloss die Augen. Der Schmerz hatte sich in seiner Wange festgebissen und er spürte den Regen über sein Gesicht kriechen. Hatte er wirklich Isdad erreicht? Es war so seltsam zu erleben, was er sich jahrelang vorgestellt hatte. Wie oft hatte er den Regen wie jetzt auf dem Gesicht gespürt und sich diese Situation ausgemalt! Nun war der Tag gekommen. Es war alles so eingetreten, wie er es vorhergesehen hatte. Und doch …
Alasar öffnete blinzelnd die Augen, als der General zurückkehrte. »Los, kommt!« Jasicur winkte ihnen. »Legt eure Waffen ab. König Morgwyn erwartet euch.«
Myrdhans König
Alasar und seine Begleiter wurden von Jasicur durch das Schloss geführt. In den engen Gewölben saßen Soldaten beieinander, tranken, spielten und stritten sich. Hühner liefen überall umher. Aus der Ferne hallte das Weinen einer Frau durch die Gänge. Vor einer hoch aufragenden Doppeltür hielt ein Dutzend Soldaten Wache. Als sie ihren General erblickten, traten sie beiseite und öffneten die Türflügel.
Sie kamen in eine Halle. Ein langer Steintisch stand in der Mitte, an dem mehrere Männer gesessen hatten und sich nun erhoben. Dahinter führten fünf Stufen zu einer Thronempore hinauf, über der das rote Wappen Myrdhans hing. Auf der Empore saß ein älterer, bärtiger Mann mit einer tiefen Narbe im Gesicht. Er trug einfache Kriegskleidung bis auf den roten Waffenrock, der mit goldenen Borten bestickt war, und an seiner Seite baumelte ein Schwert mit verziertem Griff.
»Mein König, hier ist der junge Mann«, sagte Jasicur und drehte sich selbst zu Alasar um. Alle Augen richteten sich auf ihn. Alasar verneigte sich vor dem König von Myrdhan.
»Lange habe ich darauf gewartet, Euch zu treffen. Mein König - ich freue mich.«
Der König stand auf und kam die Treppe halb herunter. »Wer bist du? Woher kommst du? Und was veranstalten deine Männer da draußen vor meiner Stadt?«
Alasar stand ruhig da, obwohl ihn der strenge Ton des Königs ein wenig irritierte. Er war es nicht gewohnt, so angeherrscht zu werden, und bis jetzt hatte er geglaubt, dass auch der König von Myrdhan ihn mit der üblichen Hochachtung behandeln würde. Bald, dachte Alasar.
»Mein Name ist Alasar. Die Krieger, die vor Eurer Stadt einen Kampf gegen Eure Feinde ›veranstalten‹, sind das Höhlenvolk. Ich bin ihr Führer.« Er machte eine Pause. »Wir kommen aus Rache.«
Eine Weile musterte König Morgwyn ihn skeptisch und schob die Unterlippe vor. Dann kam er die letzten Stufen hinab und blieb vor dem Steintisch stehen. »Ihr wollt Rache an den Haradonen nehmen?«
»So ist es.«
»Wo habt ihr euch dann verdammt noch mal versteckt, als ich vor einem halben Jahr meine Krieger gesammelt habe? Ich hätte jeden einzelnen Drachen brauchen können, den ihr da draußen fliegt!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Nun«, erwiderte Alasar, »wie es aussieht, braucht Ihr uns auch jetzt noch. Wir können Myrdhan helfen. Wenn ich darf, erkläre ich, wie.«
König Morgwyn musterte ihn aus kleinen, blitzenden Augen. Dann strich er sich mit dem Daumen über die behaarte Wange und nickte. »Sprich.«
»Ich stelle Euch knapp dreihundertzwanzig Drachen samt Reiter zur Verfügung, die wir reiten oder fliegen können.«
»Mir wurde gesagt, dass da draußen auch Reiter auf Pferden sind.«
»Ihr habt recht«, sagte Alasar. »Sie sind draußen. Sie werden auch draußen bleiben … oder habt Ihr eine Idee, wie wir die Tore Isdads öffnen können, um sie hereinzulassen?«
König Morgwyn gab ein schnaubendes Lachen von sich. »Die Männer lasst ihr einfach sterben?! Ihr
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