Das Drachentor
erkaufen! Aber das tue ich meinen Ahnen nicht an, dass ein Bauernjunge ihren Thron besteigt.« Er drehte sich um und setzte sich. Seine kräftigen Arme ruhten gebieterisch auf den Lehnen, doch er wirkte hilflos wie ein Kind, das auf einen zu großen Stuhl geklettert ist.
»Wir haben gekämpft und geblutet, um Isdad zurückzuerobern. Diesen Thron habe ich vor Augen gehabt, als ich Haradonen die Köpfe abschlug!« König Morgwyn deutete auf seine lange Narbe. »An diesen Thron habe ich gedacht, als ich mein Gesicht hinhielt und bereit war, das Leben zu lassen für den Stolz meiner Blutlinie! Niemals wird dieser Alasar mein Nachfolger. Myrikan wird es, so wie ich es am Totenbett meines geliebten Bruders geschworen habe.«
Ein Berater meldete sich zu Wort: »Gewiss wird Alasar sich zufriedengeben, wenn Ihr ihn zum General macht, mein König. Oder gar zum Edelmann - Ihr könntet ihm nach unserem Sieg gegen Haradon Ländereien geben. Wir finden eine angemessene Belohnung für seine Hilfe.«
Morgwyn streichelte nachdenklich die Armlehnen. »Alasar ist weltfremd. Auch wenn er am liebsten die ganze Welt besitzen will. Stärke ist nicht gleich Macht; das Wissen fehlt ihm. Wenn er seine Drachenlegion gegen mein Versprechen tauschen will - mein Versprechen, dass er Thronfolger wird -, dann will ich ihm Worte geben.« Die Berater nickten lächelnd.
Alasar war vor Erschöpfung eingeschlafen, sobald man ihn in sein Zimmer geführt hatte. Wirre Träume suchten ihn heim. Er lief durch die Höhlen, gejagt von namenlosen Ängsten. Hinter jeder Felswand lag Magauras Grab. Ihre toten Augen starrten ihn an. Sie sah alles.
Immer wieder führten seine Füße ihn in dieselbe dunkle Höhle. Er hörte hellen Mädchengesang, eine einsame Stimme, die eine lange verlorene Melodie sang … Alasar trat in die Halle. Magaura saß auf dem Boden. Rahjel war neben ihr und lauschte ihrem Lied. Sobald Alasar erschien, standen Magaura und Rahjel auf und umarmten sich so innig, dass ihre Gestalten zu einer einzigen verschmolzen. Rahjels Hände pressten sich auf ihren Rücken. Seine Finger gruben sich in ihre weiße Haut. Blut sickerte hervor. Alasar rannte auf sie zu, um Magaura zu retten - er riss sie an sich und schloss sie fest in die Arme. Er hielt sie, wie er sie nie zu halten gewagt hatte. Er hielt sie … Ihr weiches Haar umgab sein Gesicht, er tauchte in ihre süße Aura ein, sie war überall und er mittendrin und vor Glück und Pein wollte er weinen. Dann spürte er, wie seine Hände nass wurden. Er wich zurück und sah, dass Magaura voller Blut war. Und er war voller Blut.
Das Blut zerfloss zu einem roten, schrecklichen Feuer. Es roch nach verbrennendem Fleisch, und Schreie tobten in der Luft, das wusste Alasar, doch er hörte sie nicht. Er lag auf dem Bauch und beobachtete das Sterben seines Dorfes. In den Flammen waren auch Rahjel und Magaura. Doch selbst jetzt noch, in ihrem Leid, waren sie Alasar überlegen, denn sie hatten zusammen Liebe gekostet. Und Alasar brach in Tränen aus; er schluchzte wie ein Kind, denn nicht einmal im Tod hatte er Magaura und Rahjel trennen können. Er hatte sie mit seinem Schwert, mit seinem Zorn für die Ewigkeit zusammengeführt. Die einzigen Menschen, die er geliebt hatte, hatten ihn verraten. Die einzigen Menschen, die er geliebt hatte, waren durch seine Hand -
Alasar erwachte mit einem heiseren Schrei. Das Zimmer war dunkel. Draußen färbte der Himmel sich bereits heller. Benommen spürte Alasar die Tränen in seinen Augen, setzte sich auf und fuhr sich zitternd übers Gesicht. Der Kratzer auf seiner Wange brannte fast noch schlimmer als zuvor. Er war in seinen Kleidern eingeschlafen und fühlte sich wund und verschwitzt. Nach einem Augenblick stand er auf und ging ans Fenster.
Tief unter ihm lag der Platz, dahinter schlummerten die Straßen und Häuser Isdads. Lichter glommen hier und da. Das Gröhlen und Rufen der Soldaten, gelegentlich ein Wimmern und kläffende Hunde waren zu hören.
Alles kam Alasar fremd vor. Er war in einer anderen Welt gelandet. Vielleicht war sie besser als die, in der er gelebt hatte, aber sie erschien ihm vollkommen unnatürlich. Die Geräusche waren zu laut, die Fackeln und Kerzen waren verschwenderisch zahlreich und wie nackt, wie einsam Isdad unter dem weiten Himmel lag! Die Menschen mussten sich verletzlich und schrecklich klein fühlen.
Alasar hätte Heimweh gehabt, wenn er die Höhlen noch als sein Zuhause empfunden hätte. Aber er hatte sie verlassen, wie ein
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