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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Mutter musste merken, dass sie zögerte, denn schon kam sie auf sie zu und schloss Ardhes’ Finger behutsam um die Ampulle. »Nun bist du Königin. Lerne, wie eine Königin zu handeln.«
    Ardhes sah ihrer Mutter in die Augen. Es waren Augen voller Härte, in denen außer Hass und Angst keine Gefühle mehr glänzten. Doch - in der Tiefe ihres Blickes, da flackerte etwas. Der unstillbare, verzehrende Durst nach Macht.
    Ardhes fragte sich, ob ihre Augen eines Tages genauso sein würden.
    Im Grunde hatte Ardhes es nicht erwartet, doch Alasar kam.
    Sie hörte seine Schritte draußen im Flur und erhob sich. Rasch strich sie ihr dunkelrotes Kleid glatt und fuhr sich über die Frisur. Es war alles vorbereitet; die Speisen waren angerichtet und die silbernen Kerzenleuchter spendeten goldenes Licht. Ein Harfenspieler saß etwas abseits im Raum, um ihr Abendessen mit sanfter Musik zu begleiten. Zwei Zofen hielten große silberne Karaffen bereit, um dem Königspaar Wein einzuschenken. In eine der Karaffen hatte Ardhes das Gift geträufelt.
    Die Tür öffnete sich und Alasar trat ins Zimmer. Sein dunkles Haar war gekämmt, gewaschen und in der Stirn zurückgebunden. Er hatte sich auch sorgfältig rasiert, sodass er weniger wild aussah. Doch seine Kriegskleidung hatte er nicht abgelegt: Statt königlicher Roben trug er ein einfaches Wams und einen Lederharnisch. An seinem Gürtel hing wie immer ein Schwert.
    »Alasar.« Ardhes neigte höflich den Kopf und wies auf den Stuhl am anderen Tischende. »Es ist mir eine Ehre. Setz dich.«
    Er deutete eine Verbeugung an und nahm Platz. Auch Ardhes setzte sich wieder. Innerlich wunderte sie sich, wie gelassen sie war. Vor ihr saß der Mann, den sie vergiften würde, und sie empfand kein schlechtes Gewissen, während sie freundliche Worte mit ihm tauschte. »Ich hoffe, du findest Geschmack an den Gerichten, die ich vorbereiten ließ.«
    Eine Zofe hob die Silberglocken von ihren Tellern. Alasar atmete den Duft der dampfenden Klöße und des Entenbratens ein. »Ich wünsche dir einen guten Appetit«, sagte Ardhes und hob ihre Gabel mit zwei Fingern.
    Alasar sah sie wortlos an und Ardhes blickte auf ihren Teller hinab. Sie aßen schweigend. Die Melodie des Harfenspielers plätscherte gedämpft dahin.
    »Wein«, befahl sie mit hauchender Stimme. Die Zofen glitten zum Tisch und gossen ein. Ardhes beobachtete abwesend, wie Alasars Kelch sich mit dem roten Getränk füllte.
    »Was ist der Anlass für das alles hier?«, fragte er plötzlich.
    »Weißt du die Antwort nicht längst?« Ihre Stimme war zart wie die Klänge der Harfe.
    Einige Momente lang besah Alasar sie nachdenklich. »Du weißt also schon, dass Awrahell Haradon den Krieg erklärt hat.«
    »Ich wusste, dass du es tun würdest, noch bevor du es tatest.« Ardhes hob den Kelch und befeuchtete ihre Lippen mit Wein. Alasar griff nach seinem Kelch, ohne den Blick von ihr zu wenden - seine Finger verfehlten den Wein um Haaresbreite und schlossen sich um das Wasserglas. Er trank.
    »Deine Mutter hat sich wie eine Furie benommen, als sie es erfahren hat«, sagte Alasar. »Wieso bist du so ruhig?«
    »Ich bin nicht wie meine Mutter.« Ardhes lächelte - sie lächelte, weil noch nie eine Lüge so viel Wahres offenbart hatte. Hier saß sie, ihren eigenen Ehemann zu vernichten, das Herz erfüllt mit nichts als dem Gedanken an die Politik, und behauptete, nicht wie Jale zu sein. Die Lüge verwandelte sie umso mehr in ihre Mutter.
    »Du hast mich also wirklich zu dir gerufen, um den Krieg zu feiern«, sagte Alasar etwas ungläubig.
    »Ich sagte dir bereits, dass ich Haradon hasse.« Ardhes verstummte, als ihr bewusst wurde, dass das nicht gelogen war - sie hasste Haradon wirklich, und vor allem König Helrodir.
    Und was tat sie hier? Sie bewahrte Haradon vor einem Krieg. Sie intrigierte für Jale. Und für König Helrodir.
    »Bist du wirklich bereit, dich mit deiner eigenen Familie zu verfeinden?«, fragte Alasar leise. Ardhes hätte sich gerne der Vorstellung hingegeben, dass er aus Fürsorge fragte, doch es war Misstrauen. Natürlich.
    »Verstehst du das nicht?« Sie stellte ihren Kelch ab, als sie spürte, wie ihre Finger zitterten. »Mich verbindet nichts mit meiner Herkunft. Für die, die mich gezeugt haben, bin ich eine Figur auf einem Schachbrett, die nach Bedarf gesetzt und verschoben werden kann. Ich verabscheue sie. Es ist mir egal, ob du sie bekriegst, sonst hätte ich dich doch nicht geheiratet, oder?« Sie atmete tief durch. »Mir ist

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