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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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haradonischen Königs, und nichts anderes stand ihr zu.
    Ardhes erreichte die Thronhalle, die zum Schlosshof führte. Krieger aus Myrdhan, ausländische Söldner und Soldaten von Awrahell liefen durcheinander. Befehle wurden gerufen. Waffen und Vorräte wurden nach draußen getragen. In Kürze würde das Heer aufbrechen.
    Ardhes verließ die Thronhalle und ging die Stufen zum Hof hinab. Eine von Alasars Kriegern - eine junge Frau in ihrem Alter - wartete bereits mit einem gegürteten und gesattelten Drachen auf sie. Als Ardhes auf sie zukam, machte die Frau eine kurze, ungeschickte Verbeugung. Weil es in Awrahells Armee nie Drachen gegeben hatte und Ardhes ungeübt war, würde sie mit der Kriegerin zusammen reiten.
    Candula und die Zofen sollten ihr auf Pferden folgen. Mehrere Krieger warteten bereits, um ihre Kleidertruhen auf den Packpferden zu verstauen. Die Kriegerin schlang geschickt ihre Drachenschlaufe um den Schwanz des Drachen, um Ardhes beim Aufstieg zu helfen.
    »Ardhes!« Sie drehte sich um. Octaris stand oben am Rand der Halle. Als ihre Blicke sich trafen, eilte er die Stufen herab. Ein Soldat mit einem schweren Korb kam ihm in den Weg, und es dauerte eine Weile, bis sie endlich wieder auseinander gestolpert waren. Mit wirrem Haar und verzweifelter Miene lief Octaris auf Ardhes zu. »Ardhes- ayen «, murmelte er. Als seine Hände ihre Schultern berührten, entfuhr ihm ein schweres Seufzen. Noch nie war er ihr so alt vorgekommen. Sein Gesicht war voller Leid.
    »Was ist?«, fragte Ardhes. Sie spürte, dass ihre Worte ganz bedeutungslos waren. Octaris sah ihr in die Augen, und sie wusste, dass er in ihnen dieselbe Hilflosigkeit fand, die sich in den seinen spiegelte, ob sie wollte oder nicht.
    »Ich … wollte dir sagen …«
    Wieder erklangen die Hörner. Im Hof nahmen die Drachenkrieger ihre Plätze ein und formten mehrere Reihen. Alasar war erschienen, ritt an seinen Kriegern vorbei und hielt eine raue, feurige Rede. Nach jedem Satz erscholl dumpfer Jubel. Ardhes wich Octaris’ Blick aus und sah zur Seite.
    »Ich wünsche dir alles Gute«, flüsterte Octaris traurig. Niemand sonst hörte ihn. » Asáh mior aed misán lorej … jan saddha. Ich weiß, was uns trennt, Ardhes. Ich habe wahrscheinlich nicht das Recht, dir jetzt so nahe zu treten, aber … Vergiss niemals, ich weiß, wer du bist. Und du weißt es auch, in deinem Herzen. Egal was passieren wird, vertraue dem guten Herzen, das in dir schlägt. Verliere dich nicht … verstehst du? Und, und ob unser Blut dasselbe ist oder nicht, ich werde immer meine Tochter in dir sehen, Ardhes. Für mich bist du meine Tochter! Ich, ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun …«
    Ardhes sah ihm in die Augen. Tränen stiegen in ihr auf, doch sie wollte nicht weinen. Nicht vor ihm. Er wollte mehr für sie tun? Zu spät! Seine Worte waren Hohn.
    Zitternd trat sie vor ihm zurück und drehte sich zu ihrem Drachen um. »Lebe wohl.«
    Sie stieg auf den Drachenschwanz und ließ sich hochheben. Fest schloss sie beide Fäuste um die Sattelschlaufen. Die Kriegerin saß vor ihr auf, griff nach dem Mittelhorn und dem Eisengeschirr. Ardhes musste sich daran erinnern, wie sie einst mit Revyn auf einem Drachen geritten war, damals vor Logond. Der Gedanke an ihn brannte wie Säure. Sie schloss die Augen. Angestrengt konzentrierte sie sich auf das Nichts in ihr.
    Octaris stand da und blickte zu ihr auf. Sie glaubte zu sehen, wie Tränen über sein Gesicht liefen, doch sie wandte sich ab. Dann lenkte die Kriegerin den Drachen herum und sie galoppierten aus dem Hof.
     
    Das Heer bewegte sich nach Westen, auf die haradonische Grenze zu. Ardhes wusste nicht, was Alasars genaue Pläne waren - natürlich hatte er sie nicht eingeweiht. Aber im Grunde war es ihr auch ganz gleich, wohin er das Heer führte. Sie würde sich forttragen lassen, egal wohin.
    Und wenn sie Haradon angriffen, würde sie vielleicht Revyn wiedersehen.
    Ardhes hätte sich dafür ohrfeigen können, an ihn zu denken. Aber er schlüpfte immer wieder in ihren Kopf und sie konnte nichts dagegen tun. Während sie durch die winterliche Berglandschaft ritten, stellte sie sich vor, wie Revyn auf der Seite der Haradonen gegen Alasars Männer kämpfte. Sie stellte sich vor, wie er vor ihr stand, blutverschmiert und atemlos, und in ihr seine Feindin erkannte. Was, wenn Alasar gegen ihn antrat? Zu wem würde Ardhes halten? Sie wünschte, Revyn wäre tot, aber Alasar war ihr auch gleichgültig. Und gleichzeitig wusste

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