Das Drachentor
Bewegung und Revyn hielt sich entgeistert am Mittelhorn fest. Der Nebel stieg immer höher, hüllte sich um die Bäume und hing wie zerrissener Stoff zwischen den Ästen. Dann hörte Revyn nicht mehr, wie das Gras und Moos unter den Drachenkrallen raschelten.
Er lehnte sich nach unten und starrte hinab. Der Dunst wich wie auf einen unhörbaren Befehl zurück. Und dort, unter den Krallen des Drachen, war kein Gras und kein Gestrüpp mehr, sondern ein schmaler Pfad.
Revyn staunte. So plötzlich, wie der Nebel gekommen war, hatte er sich wieder aufgelöst. Er blickte noch einmal zurück, aber von den dichten Schwaden war nichts mehr zu sehen. Ein Schauder jagte ihm den Rücken hinab. Vielleicht sind wir durch ein Sumpfgebiet gekommen, dachte er. Ein ziemlich kleines Sumpfgebiet …
Das Sonderbarste aber war, dass der Wald sich vollkommen verändert hatte. Die gigantischen Bäume waren verschwunden - gewöhnliche Fichten und Tannen umgaben ihn. Der Boden war von ihren trockenen braunen Nadeln bedeckt. Der Drache folgte dem Trampelpfad, als hätte er nie etwas anderes getan. Reyn kratzte sich am Kopf und sagte sich, dass seine Verwirrung auf den Schlafmangel zurückzuführen sei.
Ob er es noch schaffte, die Soldaten einzuholen? Womöglich hatten sie den Wald schon verlassen. Dann würde er sie nie wieder finden … Aber so schlimm war das nicht. Er würde irgendwo auf andere Soldaten stoßen und sich ihnen anschließen können. Das Gute am Krieg war, dass man ihn nur schwer verpassen konnte.
»Drache …« Revyn räusperte sich. »Könntest du … wir müssen uns beeilen.« Er drückte zögernd seine Fersen in die Flanken des Tieres. Der Drache wandte den Kopf zur Seite und stieß ein Schnauben aus, als amüsiere ihn sein Versuch. Dann machte er so plötzlich einen Satz nach vorne, dass Revyn ein Schreckenslaut entfuhr und er sich im letzten Moment festkrallte, um nicht herunterzufallen. Einen Herzschlag später preschten sie den Pfad entlang, dass der Wald neben ihnen in einem Rausch aus Dunkelgrün verschwamm.
Die Sonne stand direkt über dem Wald, als Revyn in der Ferne eine Gruppe von Reitern und Männern zu Fuß erspähte. Es waren die Soldaten. »Da sind sie! Drache, langsamer!« Der Drache dachte natürlich nicht daran, ihm zu gehorchen. Fröhlich jagte er weiter, als renne er vor den Lichtflecken davon, die über sie hinwegtanzten. Revyn sah die Gruppe immer näher kommen. Wenn der Drache jetzt nicht anhielt, würde er sie alle …
»AUS DEM WEEEG!«
Kaum dass die Männer sich umgedreht hatten, stürzten sie sich auch schon schreiend ins Gebüsch. Der Drache donnerte einfach den Pfad weiter. Links und rechts scheuten Pferde und erklangen Drachenlaute. Als sie an der ganzen Gruppe vorbei waren, kam der Drache ruckartig zum Stehen. Revyn wurde so heftig nach vorne geschleudert, dass er sich beinahe am Mittelhorn des Drachen aufspießte. Am ganzen Körper zitternd, sank er zurück. Nun drehte der Drache sich gelassen um und blickte zu den ächzenden und stöhnenden Männern zurück, die wieder aus dem Dickicht krochen.
»… Entschuldigung«, japste Revyn. »Ich … ich will mitkommen.«
Meister Morok, der an der Spitze der Gruppe geritten war, lenkte seinen Drachen wieder auf den Pfad zurück und kam langsam auf ihn zu. Seine kleinen, dunklen Augen schienen unentschlossen, ob sie Revyn oder den Drachen anstarren sollten, und wanderten verblüfft zwischen ihnen hin und her. »Revyn?«, fragte er überflüssigerweise, denn er hatte ihn längst erkannt. Dann betrachtete er den Drachen und versuchte, hinter Revyn zu spähen. »Richtig viel Gepäck hast du wohl nicht dabei.«
Revyn zwang sich, ruhig zu atmen, damit seine Stimme wieder normal klang. »Ich will doch mit. In den Krieg.«
Ein kleines Lächeln glitt über Meister Moroks breites Gesicht, als habe er genau das erwartet. »Du hast ja den Drachen dabei, der den Lehrling angefallen hat. Ich dachte, er wäre noch nicht gezähmt …?« Revyn schluckte.
»Dann vermute ich … der Drache gehört dir.« Meister Morok warf ihm einen wissenden Blick zu, und kurz dachte Revyn, er werde eine Erklärung dafür verlangen, wieso er das kostbare Tier einfach gestohlen hatte. Aber der Händler drehte sich schon um und winkte die restlichen Männer herbei. »Kommt, es geht weiter! Wir haben einen neuen Gefährten.«
Mit einem Augenzwinkern lenkte der Händler seinen Drachen an ihm vorbei. Unbemerkt streckte er die Hand aus, um Revyns Drachen am Hals zu
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