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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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erschrocken gewesen, dass der Hase ihm einfach aus den Armen gesprungen war. Seitdem hatte er sich nicht wieder als Jäger versucht.
    Als es zunehmend dunkler wurde, gab Revyn es schließlich auf und kehrte hungrig heim. Er aß den letzten Rest Brot, und als die Schatten im Raum tiefer wurden, legte er sich auf sein Bett und wartete mit offenen Augen auf die Müdigkeit. Er lag ganz still in der Dunkelheit wie in der Nacht zuvor und zündete kein Feuer an. Seine Mutter hatte das Feuer immer entfacht. Im hellen Raum zu sitzen, die Flammen knistern zu hören und zu wissen, dass sie nicht da war, dass er ganz alleine übrig geblieben war, konnte er nicht ertragen.
    Irgendwann wurde die Langeweile so entsetzlich, dass er einschlief.
     
    Später dachte er oft daran, dass die Stimmen ihn nie geweckt haben konnten, denn sie waren viel zu leise; und doch fuhr er mit einem Ruck hoch. Draußen, nahe der Hütte, wurden gedämpfte Worte gesprochen.
    »Er ist weg, ich hab’s dir doch gesagt. Er ist mit den Soldaten gegangen. Mach dir nicht ins Hemd.«
    Revyn setzte sich verwirrt im Bett auf. Merkwürdige Geräusche erklangen draußen. Grasrascheln, ein leises Ächzen und dann ein Klirren, kaum hörbar, ein Klirren von Metall. Träumte er noch? Revyn trat die Decke zurück und stand auf.
    »Da! Ich glaub, ich hab drinnen was gehört.«
    »Das war die Schaufel. Hilf jetzt mit.«
    In Revyns Kopf kreiste es. Er hatte nicht geträumt. Da draußen war jemand! Wieder die Geräusche … Und plötzlich wurde Revyn eiskalt. Das Grab seiner Mutter. Jemand hob ihr Grab aus.
    »Woher weißt du überhaupt, dass es das richtige ist? Hier sind doch zwei!«
    »Weil das eine alt ist, du Idiot! Da liegt der Sohn. Hier! Ich hab sie! Hilf mir schon!«
    Revyn war für Sekundenbruchteile wie gelähmt. Seine Mutter … ihre Kette! Jemand wollte ihre Kette stehlen! Er stolperte auf die Haustür zu und riss sie auf. Mittlerweile mussten die Räuber ihn gehört haben. Er rannte um die Hütte herum, und da sah er es: Der Schein einer Fackel beleuchtete einen großen Haufen frischer Erde.
    Zwei Gestalten bückten sich über das Grab. Eine von ihnen hielt einen bleichen Arm in der Hand. Den Arm einer Leiche.
    Revyn schossen Tränen in die Augen. Dann stürzte er sich auf die erste Gestalt und riss sie zu Boden.
    Er wusste nicht mehr, was geschah. Laute Schreie schallten ihm in den Ohren, und er konnte nicht unterscheiden, ob es seine eigenen waren oder die der Räuber. Ein Schaufelschlag traf ihn im Rücken, aber er spürte den Schmerz kaum. Dann hielt er selbst eine Schaufel in der Hand, und er schlug auf die Gestalt ein, die vor ihm auf dem Boden lag. Er schlug immer wieder zu. Irgendwann merkte er, dass es außer seinem heiseren Keuchen und Schluchzen still geworden war. Die Schaufel glitt ihm aus der Hand.
    Zwei Körper lagen im Gras und hinter ihm war das offene Grab … Aber er wagte nicht, sich umzudrehen. Das Feuer der Fackel hüpfte im Nachtwind. Das Licht tanzte unruhig über die beiden Gestalten. Ihre Haare glänzten seltsam nass … Revyn zitterte. Es war Blut. Sie bluteten.
    Taumelnd kam er auf sie zu. Er wälzte einen der Körper herum und erstarrte. Es war kein erwachsener Mann. Es war ein magerer, zerlumpter Junge, der mit leeren Augen in den Himmel blickte. Ein Kind. Revyn wich zurück. Er drehte die zweite Gestalt auf den Rücken. Ein Kind! Blut bedeckte die Hälfte seines Gesichts.
    Revyn hatte sie getötet. Kinder. Er war ein Mörder.
    Eine Welle von Übelkeit durchwogte ihn. Revyn stolperte zurück, stolperte über den frischen Erdhaufen und schaute geradewegs ins Grab hinab. Der Sack, in den man seine Mutter gebunden hatte, war aufgeschlitzt. Mit einem heiseren Wimmern kroch Revyn über die Erde und übergab sich.
     
    Sein Vater … Sein Vater, der mit dem Schürhaken zuschlug, immer wieder, keuchend vor Zorn und Anstrengung, und das dumpfe Knacken der Knochen … Das Blut in Mirans hellem Haar … Das Blut in den Haaren der Kinder, die Revyn getötet hatte. Es war ein und dasselbe. Er war ein Mörder. Ein Mörder wie sein Vater. Revyn kauerte im Dreck, umringt von den drei Leichen.
    »Ich bin ein Mörder«, flüsterte er immer wieder, aber er weinte nicht. Er war über die Traurigkeit hinaus. Er fühlte sich betäubt und hatte die Augen weit geöffnet. In der Finsternis war er wie blind. Die Fackel war längst erloschen. »Ein Mörder. Ich bin wie er. Wie er …«
    Irgendwann tastete er sich durch die Dunkelheit, bis er die frische

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