Das Drachentor
berühren. Mit einem dumpfen Knurren wich der Drache zurück und Meister Morok zog seine Hand blitzschnell in Sicherheit. Dabei sah er Revyn unentwegt mit einem Lächeln an. »Wie heißt dein Drache denn?«
Palagrin! Revyn räusperte sich leise: »Also, Pal… Palagrin. Er heißt Palagrin.«
Meister Morok runzelte die Stirn. »Ein Name der Elfen! Hm.« Revyn öffnete verwundert den Mund - den Namen hatte er sich doch einfach ausgedacht!
Der Drache neigte den Kopf und bedachte ihn mit einem tiefen Blick. Dann schwenkte er den Schwanz und setzte sich in Bewegung.
Ihr Pfad ging zusehends im wuchernden Unterholz verloren. Die Soldaten schlugen sich mit ihren Schwertern einen Weg frei, während Revyn etwas abseits am Ende der Gruppe ritt. Die Männer seines Dorfes warfen ihm misstrauische Blicke zu und redeten über ihn und den Drachen. Jeder wusste, dass der Drache Barim gehörte und Revyn nie genug Geld gehabt hätte, ihn zu kaufen. Aber niemand sagte etwas zu ihm, teils weil Revyn dreinblickte, als würde er gleich jemandem an die Gurgel springen, und teils weil die Männer zu beschäftigt mit sich selbst waren, um sich um einen gestohlenen Drachen zu scheren.
Mittags machten sie in einem lichten Buchenwäldchen Rast und aßen. Revyn war hungrig, doch er hatte keinen Proviant dabei. Nachdem er eine Weile unsicher auf dem Drachen hin- und hergerutscht war, wagte er endlich abzuspringen und landete überraschend leicht mit den Füßen im Gras, auch wenn er dabei kein allzu elegantes Bild abgab. Der Drache musterte ihn so geduldig, als sei er ein Kind, das gerade erst Laufen lernt. Mit einem scheuen Lächeln streichelte Revyn ihn. Nur die Götter wussten, ob der Drache ihn je wieder auf sich reiten lassen würde. Die großen, dunklen Augen ruhten auf Revyns Gesicht und schienen tiefer in ihn hineinzublicken, als ein Tier vermochte; und gewiss viel tiefer, als es ein Mensch gekonnt hätte. Revyn ließ es zu und erwiderte den Blick seines Drachen. Dabei war er ja alles andere als sein Drache - vielmehr schien der Drache beschlossen zu haben, dass Revyn ihm gehörte.
»Palagrin«, murmelte er. Er sagte den Namen ganz langsam und kostete seinen Klang aus.
»Na?« Der Drache wandte den Kopf und sah Meister Morok an, der die essenden Männer verlassen hatte. Nach einem Moment kam er auf Revyn zu und hielt ihm ein Brotstück hin. »Du hast wohl deinen Proviant zu Hause vergessen. Du kannst bei mir mitessen. Ich habe genug dabei.«
Revyn gab sich einen Ruck und nahm das Brot. »Danke.«
Der Drache hatte sich unmerklich hinter ihn gestellt, um dem Händler nicht zu nahe zu sein. Die Augen des Mannes schweiften kurz in seine Richtung. Stille trat zwischen sie. Etwas abseits erklang ein Rülpsen, gefolgt vom lauten Lachen der Männer.
»Es ist verwunderlich«, sagte Meister Morok leise. »Du reitest ohne Zaumzeug - und doch scheinst du ihn lenken zu können.« Wenn der Händler das schon verwunderlich fand, was würde er sagen, wenn er wüsste, dass der Drache sich selbst lenkte?
»Du hältst dich am Mittelhorn fest, aber du hältst es nicht am Ende, sondern direkt am Kopf, wo es zwar mehr Halt gibt, du aber ganz leicht aufgespießt werden kannst, wenn der Drache das beabsichtigt.« Der Händler lächelte. »Hast du überhaupt eine Drachenschlaufe? Nein, vermutlich nicht, es sei denn, du hast sie irgendwie in deiner Hose versteckt. Ich bin gespannt zu sehen, wie du aufsteigst, wenn wir weiterziehen.«
Revyn starrte das Brot in seiner Faust an. Der Händler trat einen Schritt näher, und Revyn spürte, wie ihm Hitze über den Rücken kroch.
»Sag mir nur eins, Revyn.« Er flüsterte fast. »Hast du je einen Drachen geritten, bevor du dir diesen da gestohlen hast?«
Revyn trat einen hastigen Schritt zurück. Seine Wangen glühten. »Ich habe nicht -«
»Mir ist vollkommen gleichgültig, was du getan und was du nicht getan hast und was dich dazu bewegt hat, uns nachzureisen«, erwiderte Meister Morok trocken. »Ich bin nicht an deiner Vergangenheit interessiert. Deine Zukunft finde ich spannender.« Er wandte sich halb um. »Ich hoffe, du bist dir darüber im Klaren, dass dein Palagrin ein ungezähmter Drache ist. Wir wollten ihn kaufen, aber er war einfach zu wild, wir konnten ihn nicht einmal anbinden.
Nun gut. Iss das Brot jetzt, wir brechen gleich auf.« Dann hielt der Händler nochmals inne. »Du weißt doch, dass wir nach Logond reisen, oder?« Revyn nickte, obwohl er den Namen der Stadt vergessen hatte.
Der
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