Das Drachentor
zerstören, und peitschte mit dem Schwanz dagegen. Eine Weile lauschten Revyn, Korsa und der Stallbursche dem dröhnenden Donnern und beobachteten die Strohhalme, die im Takt von den Brettern rieselten.
»Ich weiß nicht, was du getan hast«, sagte Korsa schließlich, »aber ich weiß, was ich mit dir tun werde.«
Revyn schluckte schwer. Wie seine Strafe wohl diesmal aussehen würde?
»Morgen früh gehst du zu den Drachenzähmern, Kamerad.«
Die Zähmer
Revyn konnte nicht fassen, dass es so gekommen war. Oder besser gesagt, dass es nicht zu einer Strafe gekommen war. Nein, er wurde nicht bestraft, sondern belohnt, belohnt mit der wunderbarsten Aufgabe, die es in ganz Logond gab!
Als Revyn beim Frühstück Capras, Twit und Jurak seine Geschichte erzählte und mit leuchtenden Augen hinzufügte, dass er fortan zu den Zähmern dürfe, fiel Jurak vor Schreck der Löffel auf den Schoß. Hastig sprang er auf und schüttelte den heißen Haferschleim ab.
Capras starrte Revyn stirnrunzelnd an. »Die Zähmer, sagst du.«
»Das ist doch die schönste Arbeit überhaupt!«, erwiderte Revyn begeistert und trank seinen Becher in einem Zug aus.
»Die schönste Arbeit ?« Twits blasse Augen verengten sich. »Hat der Drache dir gestern eine Gehirnerschütterung verpasst? In Logond gibt es viele Aufgaben, aber nur eine wirklich ehrenvolle, und das ist der Kampf! Was zum Henker nützt es dir in der Schlacht, wenn du einem Drachen Tanzen beibringen kannst?«
»Wie wird man denn überhaupt in die Kampfausbildung einberufen?«, fragte Revyn vorsichtshalber, um Twit zu beschwichtigen.
Twit lehnte sich zurück und unterstrich wie immer seine Worte mit unruhigen Handbewegungen. Die Finger flatterten aufgeregt über seinem Haferschleim hin und her. »Einmal im Monat findet ein Sammelunterricht an unserem freien Tag statt. Die Ausbilder suchen die Besten aus, manchmal zwanzig, manchmal nur drei Männer, die fortan von ihrer derzeitigen Arbeit - egal ob Zähmer, Koch oder Stallknecht - befreit sind und regelmäßig Kampfunterricht kriegen. Früher oder später kommt jeder in die Ausbildung, wir sind ja deshalb hier. Kann sein, dass du drei Monate lang Glück hast und in der Ausbildung bleibst, dann wird dir wieder für zwei Wochen irgendeine blöde Arbeit zugewiesen. Deshalb musst du versuchen, einer von den Besten zu werden. Dann behalten sie dich drinnen und lassen dich vielleicht sogar die Anfänger unterrichten. Oder du bist grottenschlecht - dann bleibst du vorerst auch in der Ausbildung. Na ja, bis sie dich eben aufgeben. Dann sitzt du für den Rest deines Lebens in der Küche oder im Stall fest.«
Revyn nickte, obwohl er beim besten Willen nichts Schlimmes daran finden konnte, für den Rest seiner Tage bei den Drachen im Stall zu bleiben.
Von allen Drachenkriegern Logonds waren nur fünfzehn Zähmer. Sie waren älter als die anderen Männer und hatten Narben, die vom Widerstand und Aufgeben unzähliger gefangener Drachen erzählten.
Ihr Meister hieß Wedym. Er war nicht besonders groß, aber dafür zäh und kräftig wie ein Ochse. Seine grauen Haare waren zottelig und wirr; sein Bart jedoch war so gepflegt wie die Fingernägel einer Königin. Mit peinlicher Genauigkeit hatte er sich ein Muster auf die Wangen rasiert und am Kinn einen kleinen Zopf geflochten.
Unter den Zähmern waren auch sechs Frauen. Eine von ihnen, Lilib, war nur zwei Jahre älter als Revyn. Als Korsa ihn als »Wunderzähmer« vorstellte, musterte sie ihn skeptisch - Revyn konnte es ihr nicht verdenken, wo er doch noch nie einen Drachen gezähmt hatte. Er war lediglich von einem wilden Drachen geduldet worden. Und wenn er genau darüber nachdachte, kam ihm die ganze Sache immer unspektakulärer vor. Als er seine Geschichte den Zähmern später erzählte (nicht wie Korsa, der sie wie eine alte Sage ausgeschmückt hatte), ließen sie Revyn ihre Zweifel deutlich mehr spüren als in der Anwesenheit des Kommandanten.
»Kannst du beweisen, dass der Drache sich von dir hat beruhigen lassen?«, fragte Lilib ihn, nachdem er zu Ende erzählt hatte. »Vielleicht willst du es noch einmal versuchen.«
Revyn musste einwilligen. Sie brachten ihn zu einem wilden Drachen, der gerade erst nach Logond verkauft worden war. Schon von Weitem hörte man sein dumpfes, zorniges Heulen; es klang wie Wind und Wasser, wie das Rauschen der Bäume und das Donnern von Gewitterwolken.
Revyn zog die Tür auf. Den Blick gesenkt und die Handflächen vorgestreckt, trat er in den
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