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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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hast du denn?«
    Eine Woge heißen Atems schlug ihm entgegen. Wieder gab der Drache ein Grollen von sich, das aus den dunkelsten Tiefen dieses mächtigen Körpers drang. Im nächsten Augenblick stieß er die Hörner in Revyns Richtung. Revyn wich zur Seite, prallte gegen die Stallwand und duckte sich schon im nächsten Augenblick vor den Hörnern, die die Holzbretter entlangratterten, als der Drache den Kopf herumwarf. Revyn verhedderte sich in einem straffen Seil, das von einem Eisenring an der Wand zu dem Hals des Drachen führte.
    Endlich begriff er. Der Drache war angebunden. Zwei Seile fesselten seinen Hals so, dass er den Kopf nur in jenem furchtbaren Kreis herumwenden konnte. Vier weitere Seile waren um seine Hinterbeine geschlungen, sodass er weder vor noch zurück konnte.
    Seine Flügel waren mit Eisenketten umwickelt, und schwere Säcke voll Sand lagen ihm auf dem Rücken, um ihn zu erschöpfen. Das alles erkannte Revyn innerhalb von Sekunden, während der Drache noch immer den Kopf herumwarf, heulend vor Zorn und Raserei. Seine starren, feuchten Augen schienen blind.
    »Hör auf!«, rief Revyn. »Hör auf, ich helfe dir ja!« Ohne nachzudenken, warf er sich dem Drachen um den Hals und klammerte sich fest.
    Hör doch auf!, flehte er in Gedanken. Seine zitternde Hand strich dem Tier über die Kieferknochen. Der Drache schwang herum und versuchte, sich gegen die Wand zu werfen, um ihn abzuschütteln und zu zerdrücken. Dabei kam Revyn dem Eisenring nahe, an dem das Seil mit einem zweiten verankert war. Er streckte die Hand aus, berührte den Ring, wurde zurückgerissen. Erneut kam der Ring in Reichweite, diesmal lehnte sich Revyn weiter vor und - bekam ihn zu fassen. Für Sekunden rutschten seine Finger über das Eisen, suchten nach der Öffnung, damit die Verankerung sich löste. Im nächsten Augenblick flog das Seil durch die Luft, und Revyn, noch immer an den Drachenhals geklammert, schwang in einem wirbelnden Halbkreis herum. Diesmal ließ er den Drachen los, duckte sich, rutschte unter den aufgebäumten Vorderbeinen hindurch zur anderen Seite. Im letzten Moment entwischte er einer Kralle, presste sich gegen die Wand und löste das zweite Seil. Der Drache stieß einen tiefen, lang gezogenen Zorneslaut aus. Die beiden losen Seile umflogen seinen Hals wie Peitschen. Revyn wich ihnen aus. Im Wirbel der Seile, Hörner und Klauen öffnete er auch die hinteren Fesseln, und dann war der Drache frei.
    Einmal drehte er sich ungestüm im Kreis, um sicherzugehen, dass er seine Hinterbeine wieder bewegen konnte. Revyn lehnte schwer atmend in der hintersten Ecke. Ein einziger Schwanzhieb genügte, um einem erwachsenen Mann das Genick zu brechen.
    »Bitte … ich … ich habe dich losgebunden. Siehst du? Du bist jetzt frei. Ich tu dir nichts, hier sind meine Hände, siehst du?«
    Die Worte kamen einfach in ihm hoch. Hauptsache, er sagte dem Drachen irgendetwas. »Ganz ruhig. Beruhige dich. Ich tue dir ja nichts … bitte, tu mir nichts.« Vorsichtig streckte er wieder die Hände aus. »Hörst du, ich will dir nichts Böses. Schau meine Hände an, ich tu nichts.«
    Der Drache war nun ruhiger. Sein mächtiger Körper bebte vor Anstrengung, die Muskeln zuckten. Kurz knickten seine Knie unter dem Gewicht der Sandsäcke ein. Stoßender Atem erfüllte den Stall. Ein dumpfes Grollen erklang, dann kam er langsam, die Hörner vorgestreckt, auf Revyn zu.
     
    »KOMMANDANT! Kommandant … KORSA!«
    »Was ist?«
    Ein keuchender Stallbursche stürzte durch die Tür des Zimmers. »Herr, Ihr - Ihr müsst unbedingt zu den Reitdrachen kommen. Zum Stall! Da, da hat einer einen ungezähmten Drachen losgelassen!«
    »Das musst du dem Stallmeister sagen«, erwiderte Korsa mit gerunzelter Stirn und ohne sich von seinem Stuhl zu erheben.
    »Nein.« Der Stallbursche bemühte sich, wieder Herr seiner schwankenden Stimme zu werden. »Der, der den Drachen freigelassen hat … das ist einer von Euren Drachenkriegern. Der Neue. Er hat gesagt, er sei mit Meister Morok gekommen.«
    »Was?« Korsa sprang auf. »Was -« Einen Augenblick starrte er den Stallburschen an - dann kam er mit zwei großen Schritten hinter seinem Tisch hervor und rannte aus dem Zimmer.
    Der Stallbursche folgte ihm im Laufschritt die Treppe hinab, den Korridor entlang und die zweite Treppe hinunter. Im Stall angekommen, blieb Korsa stehen und horchte. »Wo sind sie? Sind sie überhaupt noch hier?«
    »Ich weiß nicht, wo … Hier war es«, beeilte sich der Stallbursche und

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