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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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lief voraus. Bald kamen sie bei einer geöffneten Stalltür an. Der Kommandant ballte die Fäuste und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Aber was er sah, war weit ungeheuerlicher.
    »Revyn!«, entfuhr es ihm. »Was zum -« Weiter kam er nicht. Im nächsten Augenblick stürmte ein tobender Drache auf ihn zu. Der Stallbursche schrie auf, während Korsa wie versteinert dastand. Glücklicherweise war das Reaktionsvermögen des Stallburschen in diesem Moment besser als das des Kommandanten: Er schwang die Stalltür mit aller Kraft zu. Die Holzbretter ächzten, als der Drache mit den Hörnern dagegenrammte. Korsa stolperte zurück und zog sein Schwert.
    »Seht Ihr, was ich meine?«, rief der Stallbursche. »Dieser Irre hat den Drachen losgebunden!«
    Aus dem Stall drang jetzt nicht mehr das dröhnende Donnern von Hörnern gegen Holz, sondern Revyns Stimme. »Beruhige dich! Ruhig, es ist alles gut. Ganz ruhig …«
    Korsa lief an die Tür zurück und starrte durch die Holzbretter. Der Drache stampfte mit den Vorderbeinen. Revyn stand neben ihm und fuhr ihm mit den Händen über den Hals. Er flüsterte ihm Worte zu, die Korsa nicht hören konnte. Schließlich erwachte der Kommandant aus seiner Erstarrung.
    »Junge!«, zischte er durch die Holzbretter. Revyn und der Drache blickten gleichzeitig auf - der Drache mit einem Flackern in den Augen, das Korsa unwillkürlich zurückweichen ließ. »Komm sofort her!« Zögernd trat Revyn an die Stalltür, als erwarte er Korsas Hand, die ihn zwischen die Holzbretter hindurch am Kragen packen würde. Nun hatte er am zweiten Tag zum zweiten Mal für Ärger gesorgt. Hätte er sich doch lieber mit Capras, Twit und Jurak betrunken!
    »Was geht da vor? Bist du wahnsinnig?«, fauchte Korsa. Sein Blick wanderte unruhig zwischen Revyn und dem Drachen hin und her. »Was zum Henker machst du da drinnen?«
    »Ich hatte keine böse Absicht, Kommandant. Ich … Es tut mir leid. Ich weiß, ich habe keine Entschuldigung und -«
    »Ja, ja, verrate mir lieber, wie du das machst!«, fuhr Korsa dazwischen.
    »Machen … was machen?«
    »Da drinnen am Leben bleiben!« Verwirrt drehte Revyn sich zu dem Drachen um. Er schnaufte leise und schlug mit dem Schwanz auf und ab. Fast hätte Revyn gelächelt, aber er biss sich stattdessen auf die Unterlippe und wandte sich wieder an Korsa.
    »Nun komm schon da raus und erklär mir das Ganze!« Revyn warf dem Drachen noch einen Blick zu - der beobachtete ihn geduldig, dann schwenkte er wieder mit dem Schwanz hin und her und begann, mit den Zähnen an seinem Fell zu zupfen, als interessiere ihn der Menschenjunge keinen Pfifferling.
    Revyn fasste schließlich Mut und schob die Stalltür einen Spalt auf. Korsa packte ihn sogleich am Arm und riss ihn zu sich herum, als müsse er ihn in Sicherheit bringen. Dann strich er ihm über die Schultern, als wolle er sichergehen, dass Revyn noch ganz war. »Jetzt erkläre.«
    »Der Drache hat gegen die Stalltür getreten, und ich wollte nur nachsehen, was los ist. Er war festgebunden, und … ich glaube, er hatte Schmerzen. Also habe ich ihn losgemacht.« Revyn sah dem Kommandanten fest in die Augen. »Ich habe ihn losgemacht. Er stand ja bloß auf einem Fleck, nicht einmal liegen konnte er, so wie er festgeschnürt war. Ich habe ihn mir angesehen und die Seile haben ihm die Haut aufgeschürft, am Hals hat er Wunden. Seine Knöchel sind wund, auch die Gelenke scheinen mir geschwollen. Das kommt wohl davon, dass er so lange stand. Und die Säcke auf seinem Rücken …« Zu Revyns Erstaunen nickte Korsa geistesabwesend zu all diesen Vorwürfen.
    »Du weißt nicht, wie man einen gefangenen Drachen zähmt, oder?« Revyn zog die Augenbrauen zusammen. »Man bindet einen wilden Drachen fest, drei, vier Tage lang, bis seine Kraft erschöpft ist. Danach wird ihm mit der Peitsche und der Knieschlagtechnik beigebracht, wie er auf das Lenken seines Reiters reagieren muss, bis er schließlich aus dem Stall gelassen und im Freien geritten wird.«
    »Ich weiß«, antwortete Revyn beherrscht. Korsa schien seinen unfreundlichen Ton gar nicht zu bemerken, sondern starrte ihn nur wieder so sonderbar an.
    »Gut«, murmelte er. »Und wie hast du es geschafft, von dem wilden Drachen da drinnen nicht aufgespießt zu werden, der kaum einen Tag unter Menschen ist?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Revyn zu. Hinter ihm wackelten die Bretter: Der Drache nutzte seine neu erlangte Bewegungsfreiheit offensichtlich, um die Stalltür noch gezielter zu

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