Das Drachentor
reiten.«
Ungläubige Stille trat ein, nur von beifälligem Gelächter durchbrochen. Dann erklang ein mehrstimmiger Laut des Staunens, und noch bevor Revyn das Schnauben und Trommeln der Krallen auf dem harten Boden vernahm, wusste er, dass man die Drachen hereingelassen hatte. Ein markerschütterndes Grollen, und schon sah er die Drachen über den Platz galoppieren, die Hörner gereckt. Es waren Tiere, die er noch nie gesehen hatte. Sie mussten gerade erst nach Logond verkauft worden sein.
»Hier ist er«, rief Meister Morok laut. »Unser tapferer Drachenzähmer …!«
»Revyn!«, sagte einer der Drachenkrieger hinter ihm. »Du bist dran! Geh raus!« Es dauerte mehrere Sekunden, ehe Revyn sich endlich bewegen konnte.
»Halt!« Twit hielt ihn gerade noch zurück und drückte ihm sein Seil in die Hand. Eindringlich starrte er ihn an. »Das hättest du fast vergessen! Vergiss wenigstens deinen Kopf nicht, wenn du da rausgehst!«
Revyn murmelte ein »Danke« und schloss das Seil in die Faust. Mit stockenden Schritten trat er auf den Platz.
Man schenkte ihm verhaltenen Applaus. Sein Blick irrte durch die Menge, irgendwo glaubte er die Gesichter von Capras und Jurak zu sehen, von den Zähmern und Lilib. Dann drehte er sich um und verbeugte sich vor der Tribüne des Königs. Er schaute kaum auf, denn direkt vor ihm preschte einer der Drachen vorüber. Er hörte, wie die Menge erschrocken ächzte, und spürte den Luftzug des Drachen auf der Haut.
Langsam richtete er sich auf und schielte zur Seite. Die drei Tiere jagten in irrwitzigen Kreisen über den Platz. Der Lärm machte sie nervös. Die Rüstungen der Drachenkrieger spiegelten das Sonnenlicht und blendeten sie von überall. Revyn drehte sich und streckte die Hände aus. Die Drachen umkreisten ihn enger. Ihre Augen fixierten ihn blind und glasig, doch noch griffen sie nicht an.
Stille war eingetreten: Revyn hörte nur noch den Aufprall der Krallen. Er verwandelte sich in einen verlässlichen Rhythmus, ein dumpfes Bhum-Bumm, Bhum-Bumm, Bhum-Bumm … Es klang wie ein Herzschlag, wie sein Herzschlag, der plötzlich den ganzen Platz erfüllte. Dann schnitt einer der Drachen eine scharfe Kurve und griff an.
Die Zuschauer schrien auf. Revyn sprang zur Seite, rollte über den staubigen Boden und entging den Hörnern, die haarscharf an ihm vorbeischrammten. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Noch nie seit seiner Zeit als Zähmer war er von einem Drachen attackiert worden. Aber er war immer mit den Tieren allein gewesen. Das hier war vollkommen anders.
Zitternd kam Revyn auf die Füße. Der Drache tänzelte unruhig an ihm vorüber und nahm seine Runden wieder auf. Die anderen Drachen schnaubten.
»O Götter«, flüsterte Revyn. Habt keine Angst. Bitte … vertraut mir. Euch wird nichts geschehen, ich verspreche es!
Aber ich verspreche nicht, dass dir nichts geschieht! Erneut raste einer der Drachen geradewegs auf ihn zu. Revyn rannte zur Seite. Der Drache schwenkte herum und stieß gegen ihn. Aber Revyn wich nicht aus, er hatte sich schon zu ihm umgedreht und schlang die Arme um seinen Hals. Ein fauchendes Brüllen drang aus dem mächtigen Körper, aber Revyn ließ nicht los. Er klammerte sich um den Drachen und spürte, wie er in die Luft gerissen wurde, als das Tier sich aufbäumte. Die Menge tobte.
Siehst du nicht, ich bin auf deiner Seite! Hör auf, mich anzugreifen, hörst du?
Lass mich los! Die Augen des Drachen brannten sich in ihn hinein. Zorn und Hass brodelten in dem tiefen Schwarz der Iris.
Hörst du mich denn nicht … Revyn krallte sich an den Hörnern fest, während der Drache zu springen und im Zickzack über den Platz zu hetzen begann. Als er eine Kurve machte, schlang Revyn die Beine um den geneigten Drachenleib. Rufe der Verblüffung wurden laut, und Revyn begriff, dass er es geschafft hatte: Er saß auf dem Drachen.
Besser gesagt hing er auf ihm. Seine Beine klammerten sich um den Körper, seine rechte Hand umschloss das Mittelhorn und seine linke Hand war um den Hals geschlungen. Der Drache warf den Kopf vor und zurück, um ihn abzuschütteln, und schoss so haarscharf an der Einzäunung des Turnierplatzes vorbei, dass das Publikum dahinter erschrocken zurückwich.
»Stopp! Stopp!«, schrie Revyn. Bitte, hör auf!
Er kniff die Augen zusammen, drückte das Gesicht tief ins heiße Fell. Er spürte die Muskeln darunter arbeiten. Spürte das Zittern der Sehnen. Das panische Schlagen des Herzens, das irgendwo in der Finsternis des mächtigen
Weitere Kostenlose Bücher