Das Drachentor
Leibes anschwoll und sich zusammenzog wie eine auf- und zuspringende Faust.
Revyn ließ das Mittelhorn los und klammerte sich nur noch um den Hals. Es steht mir nicht zu, dich festzuhalten. Es steht mir nicht zu, dich zu zähmen, verzeih mir. Es steht mir nicht zu, dich aus deiner Welt zu rauben, dich gefangen zu halten, dich mein Reittier zu nennen, dir deine Würde zu nehmen. Das kannst du den Menschen nicht verzeihen. Verzeih mir nicht, doch räche dich nicht an mir …
Seine ausgestreckte Hand öffnete sich. Er ließ das Seil, das er sich um den Unterarm geschlungen hatte, zu Boden fallen. Auf dem ganzen weiten Platz, womöglich im gesamten Stadtteil der Drachenkrieger, trat Stille ein.
Der Drache war stehen geblieben. Die anderen kamen auf ihn zu, stolz und starr bis zuletzt, zwei versklavte Könige. Stoßend drang der Atem aus ihren Nüstern.
Revyn richtete sich zitternd auf dem Drachen auf, ließ den Hals los und rutschte auf seinem Rücken zurück, bis der Drache ihn ansehen konnte. Revyn saß nun aufrecht und hielt den Kopf gesenkt. Was niemand in diesem Moment begriff, war, dass Revyn die Drachen nicht gezähmt hatte. Die Drachen verschonten ihn nur.
Du sprichst von Vergebung und Rache. Es sind Hohnworte für uns, wenn sie von einem Menschen kommen. Du verstehst und doch verstehst du gar nichts. Vergeben können wir nicht, und Rache üben können wir auch nicht, denn es ist zu spät, zu spät! Aber wenn wir es könnten … dann würden wir nicht vergeben, wir würden Rache üben, bis euer Menschenblut die Erde tränkt und ihr elenden Kreaturen an eurem eignen Schmerz erstickt …
Revyn atmete aus. Tränen brannten ihm in den Augen. Und dann, wie eine schwere Wolkenfront, aus der plötzlich Regen bricht, kam der Jubel über ihn und schwemmte alle Worte in seinen Gedanken einfach fort.
»Bitte … lass mich runter«, krächzte er und hörte sich selbst kaum. Die Drachen hatten die Köpfe geneigt. Ergeben streckte der Drache, auf dem Revyn saß, ihm seinen Schwanz hin und ließ ihn absteigen. Als er festen Boden unter den Füßen hatte, spürte Revyn, dass ihm schwindelig war.
»Revyn! Revyn!« Kommandant Korsa rannte über den Turnierplatz auf ihn zu, als stünden statt wilder, gefährlicher Drachen putzige Kätzchen neben ihm. Ehe er den Tieren zu nahe kommen konnte, taumelte Revyn ihm entgegen, was Korsa offenbar als Begrüßung verstand. Die drei Drachen traten unmerklich zurück und drängten sich mit dumpfen Blicken aneinander.
»Revyn!« Korsa packte ihn an den Schultern und lachte atemlos. »O bei allen Göttern, Revyn, du verrückter Kerl! Du bist mir der beste Schauspieler, den ich je zu Gesicht bekommen habe! Die Leute haben Blut und Wasser geschwitzt bei deiner verrückten kleinen Schauspielerei! Als der Drache auf dich losgegangen ist, da hatte ich Angst um dich, beim Himmel, Angst um dein Leben! Und als du dich an den Drachen geklammert hast - ich hätte es eigentlich da schon wissen müssen, denn natürlich kann sich niemand so an einen wilden Drachen hängen, wenn der Drache nicht mitmacht - die Leute dachten, jetzt ist es um dich geschehen, so knapp warst du davor, unter die Krallen zu geraten! Aber dann, am Ende …« Korsa lachte, sein Gesicht war ganz rot und fleckig. »Am Ende bleiben alle drei Biester plötzlich stehen und kriechen auf dich zu wie Diener, wie auf ein Zeichen hin, das ist …!« Korsa drückte ihn an sich und umarmte ihn. Dann rannte eine zweite Person über den Turnierplatz. Es war Lilib.
»Revyn! O Revyn, geht es dir gut?« Keuchend blieb sie vor ihnen stehen. Korsa lachte noch immer, doch an Lilibs kreideweißem Gesicht erkannte Revyn, dass sie begriffen hatte, dass es kein Spiel und keine Täuschung gewesen waren.
»O Götter!« Lilib drängte sich einfach an Korsa vorbei und ergriff Revyn am Arm. »Wie geht es dir? Hast du dich verletzt?«
Revyn sah ihr fest in die Augen oder zumindest versuchte er es. »Hast du sie gehört? Lilib, die Drachen, hast du sie auch -«
Lilib sah ihn besorgt an. In diesem Moment schaltete Korsa sich wieder ein. »Revyn, die Prinzessin! Schnell, Revyn, komm vor die königliche Tribüne!«
»Wir treffen uns später bei den wilden Drachen«, sagte Revyn hastig zu Lilib, dann hatte Korsa ihn schon vor die Tribüne gezogen.
Ohne aufzublicken, ließ Revyn sich auf ein Knie fallen und verbeugte sich. Inzwischen war der Beifall verebbt. Mit angehaltenem Atem verfolgte die Menge, was nun geschah.
Revyn war wie benommen. Heimlich
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