Das Dunkel der Lagune
nichts passieren. Dafür sorg ich schon.«
»Du willst es ihm sagen?«
Er nickte. »Das waren keine leeren Drohungen. Er wird sein Versprechen halten.«
Sie schwieg eine Zeit lang. Schließlich stellte sie die Frage, die ihr nicht aus dem Kopf ging. »Mark, warum hast du mich getäuscht? Ich habe dir vertraut. Blindlings vertraut.«
Er zuckte mit den Achseln. »Spielt das jetzt noch eine Rolle? Ich hab das Geld gebraucht. Es war die einzige Möglichkeit, aus allem herauszukommen. – Vielleicht glaubst du's mir nicht, aber du solltest den Anteil bekommen, der dir zusteht. Ich hatte nie die Absicht, dich völlig im Regen stehen zu lassen.«
Sie nickte und versicherte mit trauriger Stimme: »Doch, ich glaube dir. Ich glaube dir wirklich.« Plötzlich schluchzte sie auf, hämmerte mit der geballten Faust auf seine Schulter ein. »Dieses verfluchte Gold! Warum verändert es die Menschen so? Warum muss es so wichtig sein?«
Er küsste sie sanft. »Es verändert die Menschen nicht. Es zeigt sie nur so, wie sie in Wirklichkeit sind.«
Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen. Hagen starrte ins Leere und fragte sich, wie er sich nur so idiotisch hatte verhalten können. Ich hätte auf Clara hören sollen, dachte er und lächelte in sich hinein, weil er wusste, dass ihn nicht Wut oder Furcht so sehr ärgerten. Ihn ärgerte die Tatsache, dass sie ihn kannte, so wie er wirklich war, und er sich eingestehen musste, dass ihm viel daran lag, dass sie eine gute Meinung von ihm hatte. Irgendwo hinter seinem Rücken hörte er ein leises, unablässiges Kratzen.
Eine Weile rührte er sich nicht, beugte sich dann zu ihr hinunter und flüsterte ihr ins Ohr, sie solle sich ruhig verhalten. Anschließend drehte er sich um, hockte sich neben die Wand und lauschte. Kurz darauf war ein kleines Loch in der Wand zu sehen, durch das ein Messer gesteckt wurde; plötzlich brach ein großes Stück Lehm heraus. Hagen lugte nach draußen und sah in das blasse, abgespannte Gesicht von Mason.
Einen Moment lang starrten sie einander an. »Schöne Überraschungen, nicht?«, flüsterte Mason. Um den Kopf trug er einen blutgetränkten Stofffetzen. Seine Augen verrieten, dass er starke Schmerzen hatte. »Nur ein Streifschuss. Hab die kleine Vorführung von Kossoff aus dem Schilf beobachtet und gesehen, wie er euch in die Hütte gebracht hat.«
Hagen war ganz außer sich vor Freude über das unverhoffte Auftauchen von Mason. »Um die zwei Schlitzaugen an der Tür brauchen wir uns erst mal nicht zu kümmern. Hast du Waffen dabei?«
Mason reichte ihm die MP durch das Loch. »Etwas feucht geworden, sollte aber immer noch ihren Zweck erfüllen. Hab außerdem noch zwei Granaten. Die anderen hab ich verloren.« Rose sah durch das Loch. »Hallo, Süße«, begrüßte Mason sie. »Wollen mal zusehen, dass wir dich da rausholen.«
Hagen und Mason begannen, mit den Händen den Lehm und das Stützgeflecht zu entfernen. Nach wenigen Minuten war das Loch groß genug. Rose kroch als Erste hindurch, Hagen folgte ihr. Sie lauschten, konnten aber nichts weiter hören als das leise Gemurmel der beiden Posten vor der Hütte. Mason deutete auf ein etwa zehn Meter entferntes Bambusdickicht. Sie liefen darauf zu, während Hagen mit der MP nach hinten absicherte. Sie hatten das schützende Dickicht noch nicht ganz erreicht, als jemand ihnen hinterherschrie. Hagen drehte sich blitzschnell um und zog den Abzug durch. Einer der Posten war bereits mit dem Oberkörper durch das Loch in der Wand gekrochen. Er schrie auf, als ihn die Kugeln in das Innere der Hütte zurückwarfen. In diesem Moment kam schon der zweite um die Hütte gelaufen und schrie mit sich überschlagender Stimme um Hilfe. Als er sein Gewehr hob, feuerte Hagen eine zweite Salve, die den Soldaten niedermähte. Schnell rannte Hagen den anderen hinterher.
Als sie, schwankende Bambusrohre mit vorgehaltenen Händen und Armen abwehrend, durch das Dickicht liefen, keuchte Hagen: »Wie geht's weiter?«
Mason blickte sich nur kurz um, als er antwortete. »Konnte das Kanu wieder umdrehen, als sie wieder weg waren, weil sie glaubten, ich wär tot. Hab's im Schilf versteckt. Müssen aber noch ein bisschen weiter.«
Anschließend setzten sie schweigend ihre Flucht fort. Aus der Ferne konnten sie ihre Verfolger hören. Hagen wusste, dass er seine letzte Chance bei Kossoff verspielt hatte. Beim nächsten Aufeinandertreffen durfte er keine Schonung mehr
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