Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
gehört hatte. Ich konnte es ja selbst kaum glauben. Mein Blick suchte Lucians, ich stand auf und ließ das Messer fallen.
»Was?«, brachte ich mühsam hervor.
»Du musst das einfach für mich tun.« Er drehte sich zu Lance um, der immer noch in einiger Entfernung verharrte, und warf ihm den Schlüsselring zu. »Mit dem einen kannst du hinter mir abschließen, der andere ist für die Tür in Alcatraz. Etan lässt Dante im Ballsaal umzingeln«, erklärte er. »Ich weiß, dass er gleich zuschlagen wird. Wahrscheinlich bringt er ihn da runter, und dann wird es für euch knapp.«
Nachdenklich nickte Lance und wandte dann ein: »Aber Haven hat sich doch um Etans Foto gekümmert, das liegt da vorn.« Er deutete auf die Fetzen, die überall herumflogen.
»Je größer die Entfernung, umso später setzt die Wirkung ein. Bei den anderen, die sich oben befinden, dauert es auch etwas länger. Was auch immer Etan mit Dante vorhat, ihm bleibt noch genug Zeit. Aber du kannst ihn aufhalten.«
»Verstanden«, erklärte Lance mit ernster Miene. Diese neue Aufgabe musste er erst einmal verdauen.
Nach kurzem Schweigen sprach Lucian weiter und wählte seine Worte jetzt besonders sorgfältig: »Und deshalb musst du das jetzt für mich tun.« Ich suchte seinen Blick. Er fuhr fort: »Sobald Aurelia herausfindet, dass ich mich gegen sie aufgelehnt habe, wird sie mich selbst zerstören, und das kann ich nicht zulassen. Ich muss von deiner Hand zurückgeschickt werden. Wenn mich einer von denen erwischt, habe ich nämlich nie wieder die Chance zurückzukehren. Es muss so aussehen, als hätten wir gekämpft, als hätte ich versucht …«
Fragend sah ich zu Lance hinüber, falls er eine bessere Idee hatte, aber der schüttelte nur bedauernd den Kopf. Das hatten wir bereits durchgesprochen: Ich hatte hier als Einzige die Macht, einen von denen zu verbannen.
»Willst du das wirklich?«, fragte ich zittrig.
»Sie ist hinter meinem Blut her, und das macht für mich alles nur noch schlimmer. Sie würde nämlich nur im Falle eines Verrats gegen mich vorgehen, und für so ein Verbrechen muss ich bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren. Aber bei dir wäre es etwas anderes – dann würde ich als Strafe für mein Versagen da unten meine Zeit absitzen, aber es bestünde immer noch die Möglichkeit, dass sie mich wieder hier raufschicken, um weiter zu rekrutieren. Dann hätte ich mehr Freiheiten und könnte vielleicht eines Tages … entkommen.« Er sah mich an, als rechne er selbst nicht mit dieser zweiten Chance, versuche aber, uns beide zu überzeugen. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich. Wenn ich je zurückkehre und beschließe, diese Dunkelheit hinter mir zu lassen, kann ich dann auf dich zählen, Haven? Wirst du dich mit mir gegen sie stellen? Wirst du mir dabei helfen, mich zu ändern und so zu werden wie du? Gut zu sein?«
Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen, schluckte sie aber herunter. Ich konnte mir jetzt keine Schwäche erlauben, heute Abend lag noch so viel vor mir. »Jederzeit.« Es war nur ein Flüstern, aber es kam von Herzen. Wenn ich die Kraft hatte, ihm bei diesem Kampf beizustehen, dann würde ich es tun. Er war nicht wie die anderen.
»Sei vorsichtig, Haven. Sei stark … und bleib, wie du bist.«
Ich nickte.
»Pass gut auf sie auf!«, rief er zu Lance hinüber, der sich wohl nicht vom Fleck rühren würde, bis Lucian wirklich verschwunden war.
Nach einem Blick zu mir antwortete mein Mitpraktikant: »Nicht nötig, Haven kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.«
Lucian lächelte. »Da hast du auch wieder recht.«
»Aber wir kümmern uns schon umeinander«, fügte Lance hinzu.
»Das ist gut«, nickte Lucian. Dann trat er näher an den Abgrund und sah mich erwartungsvoll an. »Bitte, Haven. Tu es jetzt!«
Ich machte den Mund auf, mir fehlten jedoch die Worte. Was ich auch sagen würde, ich würde doch nur zu weinen anfangen. Also hauchte ich einfach nur: »Bis bald.« Dann legte ich ihm die zitternden Finger aufs Herz und ließ sie dort verweilen. Ich brachte es einfach nicht über mich, ihn auch nur ganz leicht anzustoßen, um ihn dem tosenden Feuer da unten zu übergeben. Er griff direkt unter der Manschette nach meinem Handgelenk, küsste mir die Hand und legte sie dann wieder auf seine Brust. Ohne jede Vorwarnung und fast ohne mein Zutun warf er sich in den Abgrund.
Einen Sekundenbruchteil vor seinem Sturz in die Tiefe schleuderte er den Fuß in die Luft und erwischte damit die Kante des
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