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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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daß ich lügen könnte, und daß das alles lösen würde. Das war die offene Tür, nach der ich gesucht hatte. Aber ich war noch nie gut gewesen im Lügen.
    »Es ist deins«, sagte ich schließlich. »Es muß passiert sein, kurz bevor wir wieder angefangen haben, Verhütungsmittel zu nehmen.«
    Rick sprang von seinem Stuhl auf und kam um den Tisch herum, um mich zu umarmen. »Champagner!« rief er. »Wir sollten Champagner bestellen!«
    Er sah sich nach dem Ober um.
    »Nein, nein«, sagte ich. »Bitte. Mir ist nicht gut.«
    »O ja, richtig. Also, gehen wir nach Hause. Jetzt gleich. Hast du deine Sachen dabei?« Er sah sich um.
    »Nein. Rick, setz dich hin. Bitte.«
    Er setzte sich und hatte wieder den unsicheren Gesichtsausdruck. Ich holte tief Luft.
    »Ich komme nicht mit dir zurück.«
    »Aber – aber deshalb sind wir doch hier.«
    »Was?«
    »Dieses Abendessen – ich dachte, daß du mit mir zurückkommst.«
    »Hat Mathilde das gesagt?«
    »Nein, aber ich habe angenommen –«
    »Das hättest du eben nicht sollen.«
    »Aber du bekommst mein Baby.«
    »Laß das Baby mal einen Moment lang aus dem Spiel.«
    »Wir können nicht einfach das Baby auslassen. Es ist da, oder nicht?«
    Ich seufzte. »Das ist es wohl.«
    Rick kippte den letzten Schluck seines Weines und stellte das Glas mit einem Knall auf den Tisch. »Ella, du mußt mir was erklären. Du hast mir nicht gesagt, warum du in die Schweiz gefahren bist. Hab ich irgendwas getan? Warum machst du das alles? Du scheinst der Meinung zu sein, daß mit uns irg endwas nicht stimmt. Das ist mir neu. Wenn hier irgend jemand sauer sein sollte, dann ich. Du bist schließlich diejenige, die sich sonstwo herumtreibt.«
    Ich wußte nicht, wie ich es auf freundliche Art sagen könnte. Rick schien dies zu merken. »Sag’s mir einfach«, sagte er. »Sei ehrlich mit mir.«
    »Es ist passiert, seit wir hierhergezogen sind. Ich fühle mich anders.«
    »Wie?«
    »Schwer zu erklären.« Ich dachte kurz nach. »Weißt du, wie du manchmal eine CD oder Schallplatte kaufst und eine Zeitlang vollkommen begeistert davon bist, sie die ganze Zeit hörst, alle Lieder kennst. Und du denkst, daß du sie so genau kennstund daß sie etwas ganz Besonderes für dich ist. Wie zum Beispiel die erste Platte, die du als Kind je gekauft hast.«
    »Die Beach Boys. Surf’s Up.«
    »Genau. Dann, eines Tages, hörst du plötzlich auf, sie anzuhören – nicht aus einem bestimmten Grund, es ist keine bewußte Entscheidung. Plötzlich willst du sie einfach nicht mehr hören. Sie hat nicht mehr dieselbe Kraft. Du kannst sie anhören, und du weißt, daß es immer noch gute Songs sind, aber sie haben ihre Magie verloren. Einfach so.«
    »Das ist mir mit den Beach Boys nie passiert. Ich hab immer noch das gleiche Gefühl, wenn ich sie anhöre.«
    Ich schlug mit der Hand auf den Tisch. »Verdammt noch mal, warum tust du das?«
    Die wenigen Leute im Restaurant sahen auf.
    »Was?« zischte Rick. »Was tu ich denn?«
    »Du hörst mir einfach nicht zu. Du nimmst meine Metapher und verdrehst sie. Du willst einfach nicht hören, was ich sagen will.«
    »Was willst du denn sagen?«
    »Ich glaube, ich liebe dich nicht mehr! Das will ich sagen, aber du hörst mir einfach nicht zu!«
    »Oh.« Er lehnte sich zurück. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Warum mußtest du die Beach Boys da mit hineinzerren?«
    »Ich habe versucht, es mit einer Metapher zu erklären, um es einfacher zu machen. Aber du bestehst ja darauf, alles nur aus deiner Perspektive zu sehen.«
    »Wie soll ich es denn sonst sehen?«
    »Aus meiner Perspektive! Meiner!« Ich schlug gegen meine Brust. »Kannst du nie etwas von meiner Warte aus sehen? Du bist so nett und freundlich zu allen, aber du kriegst immer, was du willst, du schaffst es immer, daß die Leute alles von deinem Standpunkt aus sehen.«
    »Ella, willst du wissen, was ich von deinem Standpunkt aussehe? Ich sehe eine Frau, die unzufrieden ist und kein Ziel hat und nicht weiß, was sie will, also setzt sie sich ein Baby in den Kopf, damit sie etwas zu tun hat. Und sie langweilt sich mit ihrem Mann, also vögelt sie den erstbesten Typ, der ihr unterkommt.«
    Er hielt inne und sah weg, verlegen, er merkte, daß er zu weit gegangen war. Ich hatte ihn noch nie so offen reden hören.
    »Rick«, sagte ich sanft. »Siehst du, das ist nicht mein Standpunkt. Das ist definitiv dein Standpunkt.« Ich fing an zu weinen, ebensosehr vor Erleichterung wie aus jedem anderen Grund.
    Der Ober kam und

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