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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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begann den Pfad hochzusteigen. Dann blieb ich stehen und drehte mich um. »Danke«, sagte ich.
    Mathilde lächelte und winkte mir zu. »Vas-y, chérie.«
    Er saß auf den eingefallenen Resten eines Kamins, mit dem Rücken zu mir und rauchte. Er trug das lachsfarbene Hemd; die Sonne schimmerte auf seinem Haar. Er sah so echt, so in Einklang mit sich und der Umgebung aus, daß ich ihn fast nicht ansehen konnte, weil es so schmerzte. Ich spürte ein heftiges Verlangen nach ihm, danach, ihn zu riechen und seine warme Haut zu berühren.
    Als er mich sah, schnippte er die Zigarette weg, blieb aber sitzen. Ich stellte die Tasche und die Schaufel ab. Ich wollte meine Arme um ihn legen, meine Nase an seinen Hals drücken und in Tränen ausbrechen, aber ich konnte nicht. Nicht, bevor ich es ihm nicht gesagt hatte. Die Anstrengung, ihn nicht zu berühren, war fast unerträglich, und ich war so davon in Anspruch genommen, daß ich seine ersten Worte überhörte und ihn bitten mußte, sie zu wiederholen.
    Er wiederholte sie nicht. Er sah mich nur lange an und studiertemein Gesicht. Er versuchte, ausdruckslos zu bleiben, aber ich sah, daß es ein Kampf für ihn war.
    »Jean-Paul, es tut mir so leid«, murmelte ich auf Französisch.
    »Warum? Was tut dir leid?«
    »Oh.« Ich verschränkte die Hände hinter dem Nacken. »Es gibt soviel, was ich dir erzählen muß, ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll.« Mein Kinn fing an zu beben, und ich preßte meine Ellbogen gegen die Brust, um nicht am ganzen Körper zu zittern.
    Er streckte die Hand aus und berührte meine verletzte Stirn.
    »Woher hast du das?«
    Ich lächelte grimmig. »Vom Leben.«
    »Dann erzähl mir davon«, sagte er. »Und warum du das hier dabei hast.« Er nickte in Richtung der Tasche. »Erzähl’s mir auf englisch. Du kannst Englisch sprechen, wann immer du willst, und ich spreche Französisch, wenn ich will.«
    Ich hatte nie daran gedacht, es so zu machen. Er hatte recht: Es wäre zuviel, alles auf Französisch sagen zu müssen.
    »Die Tasche ist voller Knochen«, erklärte ich, verschränkte die Arme und verlagerte mein Gewicht auf eine Hüfte. »Von einem Mädchen. Ich weiß das wegen der Größe und der Form der Knochen, außerdem gibt es Überreste von etwas, das wie ein Kleid aussieht, und Haare. Ich habe sie unter dem Herd eines Hofes gefunden, der angeblich lange den Tourniers gehört hat. In der Schweiz. Ich glaube, daß das die Knochen von Marie Tournier sind.«
    Ich unterbrach mich und wartete darauf, daß er Einwände anbringen würde. Als er das nicht tat, fuhr ich fort und merkte, wie ich seine unausgesprochenen Fragen beantwortete. »In unserer Familie wurden die Namen über die Generationen weitergegeben bis in die Gegenwart. Es gibt immer noch Jacobs und Jeans und Hannahs und Susannes. Es ist wie eine gemeinsame Erinnerung. All die ursprünglichen Namen gibt es noch, bis auf Marie und Isabelle. Ich weiß, du denkst jetzt, ich bastle etwasaus dem Nichts zusammen, und ohne Beweise, aber ich glaube, das bedeutet, daß sie etwas Falsches gemacht haben, daß sie gestorben sind oder verbannt wurden oder so etwas. Und die Familie hat ihre Namen nicht mehr verwendet.«
    Jean-Paul zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief.
    »Es gibt noch andere Dinge, die Art von Beweisen, die du verdächtig findest. Wie ihr Haar, das Haar hier in der Tasche, das die gleiche Farbe hat wie meins. Wie meins geworden ist, als ich hierherkam. Und als wir den Herdstein angehoben hatten und er zurückfiel, machte er genau das Geräusch, das ich in meinem Alptraum gehört habe. Dieser dumpfe, dröhnende Schlag. Genau so. Aber vor allem ist es das Blau. Die Stücke vom Kleid haben genau das Blau, von dem ich geträumt habe. Das Blau der Jungfrau.«
    »Das Blau der Tourniers«, sagte er.
    »Ja. Es ist alles Zufall, kannst du jetzt sagen. Ich weiß, was du vom Zufall denkst. Aber es gibt zuviel davon, weißt du. Zuviel für mich.«
    Jean-Paul stand auf, streckte sich und fing dann an, in den Ruinen herumzuwandern. Er ging einmal ganz außen herum.
    »Das hier ist die Mas de la Baume du Monsieur, richtig?« fragte er, als er zu mir zurückkam. »Der Hof, der auch in der Bibel aufgeführt ist?«
    Ich nickte. »Hier wollen wir die Knochen begraben.«
    »Darf ich sie sehen?«
    »Ja.« Er hatte eine Idee. Ich kannte ihn gut genug, um die Zeichen zu kennen. Es war seltsam tröstlich. Mein aufgewühlter Magen beruhigte sich und verlangte nach Essen. Ich setzte mich auf die

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