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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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glaubten, die Elten wären schon immer einverstanden gewesen.«
    »Aber würden die Leute das nicht trotzdem vermutet haben, bei diesen Daten?« Ich konnte mir eine Version von Madame im 16 . Jahrhundert sehr gut vorstellen, und wie schnell sie dahinterkommen würde.
    »Vielleicht, aber es wäre immer noch besser gewesen, wenigstens scheinbar zuzustimmen.«
    »Nur um den Schein zu wahren.«
    »Ja.«
    »Also hat sich in vierhundert Jahren wirklich nicht viel verändert.«
    »Hast du das erwartet?«
    Die Bibliothekarin erschien in der Tür. Wir mußten sehr vertieft wirken, denn sie lächelte uns nur zu und verschwand wieder.
    »Da ist noch etwas«, sagte Jean-Paul. »Nur eine Kleinigkeit. Der Name Marie. Es ist seltsam für eine Hugenottenfamilie, ein Kind so zu nennen.«
    »Warum?«
    »Calvin wollte, daß die Leute aufhörten, die Jungfrau Maria anzubeten. Er glaubte an den direkten Kontakt mit Gott ohne einen Umweg über sie. Sie wurde als Ablenkung von Gott gesehen. Und sie ist Teil des Katholizismus. Es ist merkwürdig, daß sie das Kind nach der Jungfrau benannten.«
    »Marie«, wiederholte ich.
    Jean-Paul klappte die Bibel zu. Ich sah ihm zu, wie er den Einband berührte, die Umrisse der goldenen Blätter nachfuhr.
    »Jean-Paul.«
    Er drehte sich zu mir um, seine Augen leuchteten.
    »Komm mit zu mir nach Hause.« Ich hatte überhaupt nicht erwartet, daß ich das sagen würde.
    Äußerlich schien sein Gesicht sich nicht zu verändern, aber die Veränderung zwischen uns war, wie wenn der Wind plötzlich die Richtung wechselt.
    »Ella. Ich bin hier bei der Arbeit.«
    »Nach der Arbeit.«
    »Und dein Mann?«
    »Er ist weg.« Ich fing an, mich zu schämen. »Vergiß es«, murmelte ich. »Vergiß, daß ich gefragt habe.« Ich wandte mich zum Gehen, aber er legte seine Hand auf meine und hielt mich zurück. Als ich in meinen Stuhl zurücksank, sah er zur Tür und nahm seine Hand weg.
    »Komm heute abend, ja?« sagte er.
    »Wohin?«
    Jean-Paul kritzelte etwas auf einen Papierfetzen. »Am besten ungefähr um elf.«
    »Aber was ist das?«
    Er schüttelte den Kopf. »Eine Überraschung. Komm einfach. Du wirst schon sehen.«
    Ich duschte und verwandte mehr Zeit auf mein Aussehen, als ich das seit langem getan hatte, obwohl ich keine Ahnung hatte, wohin ich ging: Jean-Paul hatte einfach eine Adresse in Lavaur, einem Ort, der ungefähr zwölf Meilen entfernt war, aufgeschrieben. Es konnte ein Restaurant genausogut wie das Haus eines Freundes oder eine Bowling-Bahn sein.
    Ich hatte noch seinen Kommentar zu meiner Kleidung im Ohr. Obwohl ich nicht wußte, ob er das als Kritik gemeint hatte, ging ich meinen Kleiderschrank durch und versuchte, etwas Farbiges zu finden. Schließlich zog ich wieder das blaßgelbe ärmellose Kleid an; das kam einer hellen Farbe noch am nächsten. Wenigstens fühlte ich mich wohl darin, und mit braunen Sandalen und ein wenig Lippenstift sah ich nicht schlecht aus. Natürlich kein Vergleich mit Französinnen, die schon klasse aussahen, wenn sie nur Jeans und T-Shirts trugen, aber immerhin konnte ich mich sehen lassen.
    Gerade hatte ich die Haustür hinter mir zugezogen, als das Telefon klingelte. Ich mußte mich beeilen, rechtzeitig hinzukommen, bevor der Anrufbeantworter losging.
    »Hey, Ella, hab ich dich geweckt?«
    »Rick. Nein, eigentlich war ich gerade, äh, wollte ich gerade spazierengehen. Zur Brücke hinaus.«
    »Spazierengehen, um elf Uhr abends?«
    »Ja, es ist so heiß, und ich habe mich gelangweilt. Wo bist du?«
    »Im Hotel.«
    Ich versuchte mich zu erinnern: War es Hamburg oder Frankfurt? »Ist das Meeting gut gelaufen?«
    »Großartig!« Er erzählte und gab mir damit Zeit, mich zu sammeln. Als er mich fragte, was ich so gemacht hätte, fiel mir jedoch rein gar nichts ein, was er hätte hören wollen.
    »Nicht viel«, antwortete ich schnell. »Also, wann kommst du zurück?«
    »Sonntag. Ich muß auf dem Rückweg erst noch kurz nach Paris. Hey, Liebes, was hast du an?« Das war ein altes Spiel, das wir am Telefon manchmal spielten: Einer von uns beschrieb, was er oder sie gerade trug, und der andere beschrieb, wie er es ausziehen würde. Ich blickte auf mein Kleid und meine Schuhe. Ich konnte ihm weder sagen, was ich trug, noch, warum ich das Spiel jetzt nicht spielen wollte.
    Glücklicherweise wurde ich durch Rick selbst gerettet, der sagte: »Warte, ich glaube, da kommt ein Anruf für mich. Den nehme ich wohl lieber an.«
    »Klar, bis in ein paar Tagen dann.«
    »Ich liebe dich,

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