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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Ausruf kippte er mitsamt seinem Barhocker nach vorne und landete halb auf dem Tresen.
    Ich versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken, aber Mathilde hielt sich die Hand vor den Mund, Sylvie lachte laut heraus, und Jean-Paul lächelte, während er durch die Bibel blätterte. Ich erinnerte mich, daß er die Seite mit den Tourniers sehr sorgfältig studiert hatte und etwas auf die Rückseite eines Briefumschlages gekritzelt hatte. Ich war zu beschwipst gewesen, als daß ich ihn gefragt hätte, was er da machte.
    Zu Mathildes Entrüstung und zu meiner Enttäuschung konnte sich Monsieur Jourdain nicht genau erinnern, wer ihm die Bibel gebracht hatte. »Deshalb müssen Sie alles katalogisieren!« schimpfte sie. »Das sind wichtige Fragen für jemanden wie Ella!« Monsieur machte eine gehorsame Armesündermiene, schrieb sich die Namen von allen in der Bibel aufgeführten Familienmitgliedern auf und versprach, nachzusehen, ob er etwas über sie herausfinden könnte, einschließlich derer, die einen anderen Nachnamen als Tournier hatten.
    Ich ging davon aus, daß die Bibel aus der Nähe von Le Pont de Montvert stammte, wußte aber, daß sie von so gut wie überallher hätte gebracht werden können; immer wieder waren ja Leute in die Gegend gezogen und hatten alles mögliche mitgebracht.Als ich diese Möglichkeit erwähnte, schüttelten Mathilde und Monsieur Jourdain beide den Kopf.
    »Sie hätten sie nicht zur mairie gebracht, wenn sie von woanders gekommen wären«, erklärte Mathilde. »Nur eine Familie aus den Cevennen hätte sie Monsieur Jourdain gegeben. Es gibt hier ein ausgeprägtes Geschichtsbewußtsein, und Familiendokumente wie diese Bibel verlassen die Cevennen kaum.«
    »Aber Familien gehen weg. Meine Familie ist weggezogen.«
    »Das war wegen der Religion«, erwiderte sie mit einer wegwerfenden Geste. »Natürlich gingen sie damals weg, und noch mehr Familien nach 1685 . Weißt du, es ist merkwürdig, daß deine Familie gerade zu diesem Zeitpunkt weggegangen ist. Hundert Jahre später war es viel schlimmer für die Protestanten aus den Cevennen. Das Massaker der Bartholomäusnacht war –« Sie hielt inne und zuckte die Achseln, winkte dann Jean-Paul zu. »Erklären Sie das, Jean-Paul.« Sie trug einen pinkfarbenen Body und dazu einen karierten Minirock.
    »– eine Aktion des Bürgertums, mehr oder weniger«, führte er ihren Satz weiter und lächelte ihr zu. »Es zerstörte den protestantischen Adel. Aber die Hugenotten aus den Cevennen waren Bauern und die Cevennen selbst zu isoliert, um wirklich bedroht zu sein. Es kann Auseinandersetzungen mit den ansässigen Katholiken gegeben haben. Der Dom in Mende war beispielsweise katholisch geblieben. Die haben vielleicht beschlossen, ein paar Hugenotten zu terrorisieren. Was denkst du denn, Mademoiselle?« Er wandte sich an Sylvie. Sie sah ihn nüchtern an, streckte dann ihre Füße vor, wackelte mit den Zehen und sagte: »Sieh mal, Maman hat meine Fußnägel weiß lackiert!«
    Jetzt widmete ich mich wieder der Liste der Tourniers und studierte sie genauer. Das war also die Familie, die nach Moutier gegangen war: Etienne Tournier, Isabelle du Moulin und ihre Kinder Jean, Jacob, und Marie. Den Aufzeichnungen meines Cousins zufolge war Etienne 1576 auf der Heeresliste aufgetaucht, und Jean heiratete 1590 . Ich überprüfte die Daten; espaßte. Und dieser Jacob war einer der Jacobs in einer langen Reihe, die bei meinem Cousin endete. Es wäre wichtig für ihn, davon zu erfahren, dachte ich. Ich werde ihm schreiben.
    Meine Augen blieben an einem Schriftzug auf der Innenseite des Einbands hängen; alle hatten ihn bisher übersehen. Er war beschmutzt und verblaßt, aber ich konnte »Mas de la Baume de Monsieur« lesen. Hof des Balsams des Herrn, übersetzte ich plump. Ich holte die detaillierte Landkarte hervor, die ich von der Gegend um Le Pont de Montvert gekauft hatte, und fing an zu suchen. Ich suchte in konzentrischen Kreisen vom Dorf aus nach einem ähnlichen Namen. Nach nur fünf Minuten hatte ich es gefunden, ungefähr zwei Kilometer nordöstlich von Le Pont de Montvert. Es war ein Hügel etwas nördlich des Tarn, der halb von Wald bedeckt war. Ich nickte. Das war etwas für Jean-Paul.
    Aber er konnte den Namen des Hofes gestern abend nicht gesehen haben, sonst hätte er darauf hingewiesen. Was hatte er nur gemeint, als er sagte, er hätte etwas über meine Familie herausgefunden? Ich sah mir nochmals die Namen und Daten an, fand aber nur zwei ungewöhnliche Dinge:

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