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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Dann Vietnam. Und Gewalt und Gewehre. Und der CIA, ja, über den CIA muß ausführlich gesprochen werden. Und vielleicht, wenn Sie Kommunist sind – sind Sie Kommunist, Monsieur? –, vielleicht erwähnen Sie auch Kuba. Aber zu guter Letzt lassen Sie sich über den Zweiten Weltkrieg aus – daß die Amerikaner erst so spät eingetreten sind und nie von den Deutschen besetzt waren wie die armen Franzosen. Das ist das pièce de résistance, n’est-ce pas?«
    Fünf Leute grinsten mich an, während der Mann schmollte und Jean-Paul sein leeres Glas zum Mund führte, um sein Lachen zu verbergen.
    »Nun«, fuhr ich fort. »Da Sie Franzose sind, vielleicht sollte ich fragen, ob Sie die Vietnamesen als Kolonialmacht besser behandelt haben. Und sind Sie stolz darauf, was in Algerien passiert ist? Und daß Le Pen jetzt so beliebt ist? Und der Rassismus hier gegen die Nordafrikaner? Und die Atomtests im Pazifik? Sehen Sie, Sie sind Franzose, also sind Sie natürlich auch verantwortlich für Ihre Regierung, denn Sie sind ja mit allem einverstanden, was sie tut, nicht wahr? Kleiner Scheißkerl«, fügte ich leise auf englisch hinzu. Nur Jean-Paul hörte es; er sah mich erstaunt an. Ich lachte. Nicht so ganz die feine Dame, diesmal.
    Der Mann legte eine Hand auf seine Brust und streckte sie dann in einer Geste der Niederlage nach außen.
    »Nun, wir haben über Frank Sinatra und Nat King Cole diskutiert. Sie müssen meine Ausdrucksweise schon entschuldigen, manchmal brauche ich ein wenig länger, um das zu sagen, was ich wirklich meine. Was ich sagen wollte, war, daß man seine –nicht hört. – Wie heißt das?« Ich legte meine Hand auf die Brust und atmete ein.
    »Respiration« , schlug Janine vor.
    »Ja. Man hört es nicht, wenn er singt.«
    »Es heißt, er hat eine besondere Atemtechnik, die er –« Ein Mann am anderen Ende des Tisches nahm zu meiner Erleichterung den Faden auf.
    Jean-Paul stand auf. »Ich muß jetzt spielen«, sagte er leise zu mir. »Du bleibst?«
    »Ja.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, kein Problem. Alles ist in Ordnung.«
    Und es war in Ordnung. Niemand brachte Klischeevorstellungen von Amerikanern an, ab und zu hatte ich etwas zur Unterhaltung beizutragen, und wenn ich nicht verstand, wovon die Rede war, hörte ich einfach der Musik zu.
    Jean-Paul und Janine spielten eine ganze Reihe von Songs: Gershwin, Cole Porter, mehrere französische Lieder. Einmal besprachen sie sich kurz; dann begann Janine mit einem Seitenblick auf mich Gershwins ›Let’s Call The Whole Thing Off‹ zu singen, während Jean-Paul auf seine Tasten hinunterlächelte.
    Später wurde die Bar leerer, und Janine setzte sich gegenüber von mir hin. Nur drei Leute waren noch am Tisch, und wir waren in das angenehme Schweigen des späten Abends verfallen, wenn schon alles gesagt worden ist. Sogar der Mann mit Glatze war still.
    Jean-Paul spielte weiter – ruhige, nachdenkliche Musik, ein paar Akkorde, die einfache Melodien begleiteten. Der Stil bewegte sich irgendwo zwischen Klassik und Jazz, einer Mischung aus Erik Satie und Keith Jarrett.
    Ich wandte mich an Janine. »Was spielt er?«
    Sie lächelte. »Das ist seine eigene Musik. Er komponiert sie selber.«
    »Sie ist schön.«
    »Ja. Er spielt sie nur, wenn es spät ist.«
    »Wieviel Uhr ist es denn?«
    Sie sah auf die Uhr. Es war beinahe zwei.
    »Ich wußte nicht, daß es schon so spät ist!«
    »Hast du keine Uhr?«
    Ich hielt meine Handgelenke hin. »Ich hab sie zu Hause gelassen.« Unser Blick fiel gleichzeitig auf meinen Ehering; instinktiv zog ich die Hände weg. Er war so sehr ein Teil von mir geworden, daß ich ihn ganz vergessen hatte. Auch wenn ich an ihn gedacht hätte, hätte ich ihn wohl nicht abgelegt: Das wäre zu berechnend gewesen.
    Ich begegnete ihrem Blick und wurde rot, was alles nur noch schlimmer machte. Kurz überlegte ich, ob ich zur Toilette gehen und ihn abnehmen sollte, aber ich wußte, daß sie das bemerken würde, also versteckte ich meine Hände im Schoß und wechselte das Thema, indem ich sie fragte, wo sie ihre Bluse herhatte. Sie verstand.
    Ein paar Minuten später stand der Rest des Tisches zum Gehen auf. Zu meiner Überraschung ging Janine mit dem Mann mit der Glatze. Sie winkten mir freundlich zu; Janine warf Jean-Paul eine Kußhand zu, und weg waren sie. Bis auf den Mann hinter der Bar, der Gläser einsammelte und Tische abwischte, waren wir allein.
    Jean-Paul spielte sein Stück zu Ende und saß einen Augenblick lang still da. Der Barmann pfiff

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