Das dunkle Fenster (German Edition)
aus, während die beiden Mönche weitergingen. Der Abt fragte Nikolaj nach seinem Wohlergehen, dann erzählte er ihm von den Kunststudenten aus Mailand, die von den Gemälden in der Galerie vor der Bibliothek beeindruckt gewesen waren. Ein enttäuschter Ausdruck schlich sich in seine Augen, als er keine Reaktion in Nikolajs Miene fand.
„Sie müssen sich doch freuen“, beharrte er. „Stellen Sie sich vor, wenn Sie Ihre Bilder in Beirut ausstellen würden, in einer richtigen Galerie. Denken Sie an die Publicity. Sie könnten viel Geld damit verdienen.“
„Aber das will ich gar nicht“, sagte Nikolaj sanft. „Ich brauche es nicht.“
„Ja, natürlich.“ Pater Georg winkte ab. „Sie haben Ihre Firma verkauft, ich weiß. Sie sagen, Sie brauchen das Geld nicht. Aber freuen Sie sich nicht, wenn Ihre Kunst etwas bei den Betrachtern auslöst? Das muss Ihnen doch etwas bedeuten?“
„Ich male nur zu meinem eigenen Vergnügen.“ Nikolajs Stimme war ruhig. Er sah dem Pater ins Gesicht. „Tatsächlich bedeutet mir meine Privatsphäre sehr viel mehr. Deshalb wollte ich Sie auch um etwas bitten.“
Der Abt machte eine kleine Handbewegung. „Nur zu.“
Nikolaj lächelte schmal. „Es mag Ihnen vielleicht seltsam vorkommen“, sagte er, „aber ich hätte gern, dass Sie meinen Namen im Zusammenhang mit den Bildern nicht mehr preisgeben. Ich bin nach Hawqa gekommen, um mich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.“
„Es tut mir leid.“ Das Gesicht des Paters verschloss sich. „Sie meinen sicher diese Dame, die sich kürzlich nach Ihnen erkundigt hat.“ Verlegen nestelte er an seiner Brille. „Es tut mir wirklich sehr leid“, wiederholte er, „ich wollte natürlich nicht, dass sie Sie belästigt. Sie war so begeistert von Ihrer Kunst und ich dachte mir nichts dabei ...“
„Schon gut“, unterbrach Nikolaj ihn. „Ich mache Ihnen gar keinen Vorwurf. Ich möchte nur, dass Sie mich in Zukunft nicht mehr erwähnen. Erzählen Sie den Leuten eine Legende. Sagen Sie, dass einer Ihrer Ordensbrüder die Bilder malt oder ein Künstler aus Europa, der ein paar Jahre in Ihrer Abtei verbracht hat.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Die Leute mögen romantische Geschichten. Da ist eine kleine Notlüge verzeihlich.“
Pater Georg entspannte sich ein wenig. „Wie Sie meinen“, sagte er, immer noch zögernd. Er sah hinüber zum Hof. Dort war Bewegung entstanden. Nikolaj folgte dem Blick des Paters. Eine kleine Gruppe verließ das Hauptgebäude.
„Touristen, nicht wahr?“
Der Abt nickte. „Eine Gruppe aus der Schweiz. Sie sind gestern angekommen und werden einige Tage bleiben.“
„Sie beherbergen neuerdings auch Gäste?“, fragte Nikolaj überrascht.
„Ach, ich hatte schon länger darüber nachgedacht. Dann hat mich diese Dame angerufen und gefragt, ob wir Interesse hätten, Besuchergruppen aufzunehmen. Sie kennen ja unser Gästehaus. Leider steht es fast das ganze Jahr über leer, was eigentlich eine Schande ist.“
„Natürlich.“ Nikolaj verspürte Unbehagen. Einen Moment musterte er die Dahlien, die den Kreuzgang säumten.
Ein plötzliches Geräusch ließ ihn aufschrecken, ein hochfrequentes Summen. Dann erhellte ein Blitz das Gewölbe. Nikolaj fuhr herum. Er sah zwei Frauen, von denen eine sich mit ihrer Kamera drehte, um auch die andere Seite des Gartens zu fotografieren.
Sein Körper versteifte sich. Ein eisiger Klumpen ballte sich in seinem Magen zusammen. Schon vor Berlin war er paranoid gewesen, was Kameras betraf. Peinlich genau hatte er darauf geachtet, nicht fotografiert zu werden. Aber er war nicht länger Nico Delani, der exzentrische Künstler, der wie selbstverständlich einem Journalisten die Kamera aus der Hand schlagen durfte. Er konnte diese Touristin nicht zwingen, ihm den Fotoapparat mit dem Film auszuhändigen, das würde Aufsehen erregen. Und das wäre noch schlimmer als ein zufälliges Bild in einem privaten Fotoalbum.
„Was haben Sie denn?“, fragte der Abt besorgt.
„Ich – was?“ Nikolaj drehte sich zurück, so dass er der Kamera vollständig den Rücken zuwandte. Fahrig wischte er sich über das Gesicht. „Mir ist plötzlich gar nicht gut“, murmelte er. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gern verabschieden.“
„Das wird die Hitze sein. Möchten Sie etwas trinken oder sich vielleicht hinlegen?“
„Nein“, wiederholte Nikolaj, „nein, vielen Dank. Ich fahre besser sofort nach Hause.“
„Wie Sie meinen“, murmelte der Geistliche. Er
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