Das dunkle Fenster (German Edition)
bemühte sich nicht, seine Verwunderung zu verbergen.
Zurück in seinem Haus, begann Nikolaj die Zimmer nach Wanzen abzusuchen. Er wusste selbst, wie paranoid das war. Andererseits hatte seine Paranoia ihm mehr als einmal den Hals gerettet, zuletzt auf seiner Flucht aus Berlin.
Er fand nichts. Das Haus war unberührt, niemand hatte es in seiner Abwesenheit betreten. Das Telefon, der Computer, die Wände und Decken – alles sauber. Beinahe gewaltsam musste er sich versichern, dass der Auslöser für seine plötzliche Panik lächerlich war. Eine Touristin, die ihn vielleicht auf einem ihrer Bilder aufgenommen hatte. Er dachte an die Kiste hinter dem Waschtischschrank. Kurz fragte er sich, ob er eine Zeitlang verreisen sollte. Wenn jemand seine Spur aufgenommen hatte, war es das Beste, in Bewegung zu bleiben.
5 Tel Aviv | Israel
„Das ist alles?“, fragte Shalev. Er legte die beiden Abzüge zurück auf den Tisch.
„Nur fürs Erste“, erwiderte Katzenbaum. „Und es ist im Übrigen mehr, als du zu sehen glaubst.“ Er zog die Fotos zu sich heran. Das erste Bild zeigte einen Mann im Halbprofil vor einer Mauer. Auf dem zweiten Bild war der gleiche Mann zu sehen, während er in einer Art Innenhof stand, zusammen mit einem Priester. Der Fotograf hatte ihn diesmal von der anderen Seite aufgenommen. Sein Gesicht wirkte verschwommen, dafür war der Körper vollständig im Bild. „Wir hatten sowieso Glück. Ich habe das Team angewiesen, so unauffällig wie möglich zu agieren. Es hätte auch drei Wochen dauern können oder zwei Monate.“
„Ja, schon gut“, brummte Shalev. „Hast du die Fotos den Jungs von der Analyse gezeigt?“
„Ja.“ Katzenbaum verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. „Es gibt in der Tat gewisse Ähnlichkeiten mit dem Archivfoto von Fabio, soweit man das bei der ungünstigen Perspektive und der Qualität des Bildmaterials sagen kann. Die Analystin denkt, sie hat eine Übereinstimmung von siebzig Prozent. Aber ich habe noch etwas viel Besseres.“ Er lehnte sich im Stuhl zurück und trank einen Schluck Kaffee. „Sie hat die neuen Fotos zusätzlich gegen die gesamte Datenbank abgeglichen. Der Rechner hat einen weiteren Treffer gefunden und zwar für einen Mann namens Nikolaj Fedorow, militantes Mitglied der PFLP, der Volksfront zur Befreiung Palästinas. Eine Splittergruppe der PLO. Fedorow wurde 1993 nach dem Überfall auf einen Checkpoint im Südlibanon gefangen genommen, von Shaback-Leuten verhört und anschließend nach Megiddo gebracht. Er verbrachte zwei Jahre im Gefängnis, dann gelang ihm zusammen mit einem italienischen Waffenschmuggler die Flucht.“
„Aha“, sagte Shalev. Er blies den Rauch seiner Zigarette gegen die Zimmerdecke. „Und dann?“
„Nichts weiter. Die Akte endet hier.“
Shalev runzelte die Stirn. „Das gibt den Dingen vielleicht eine neue Perspektive. Könnte es sein, dass dieser Fedorow nach seiner Flucht aus Megiddo auch weiterhin für unsere palästinensischen Freunde gearbeitet hat?“
„Wissen wir nicht“, sagte Katzenbaum. „Aber ich habe noch etwas.“
„Ich bin gespannt.“
„Dieser Überfall damals auf den Checkpoint wurde von insgesamt drei Leuten durchgeführt. Zwei Tage nach seiner Gefangennahme verriet Fedorow den Shaback-Agenten, wo sie die anderen beiden Mitglieder des Überfall-Kommandos finden konnten. Einer von ihnen war schwer verletzt. Sie hielten sich in einer Höhle versteckt und hofften, dass Fedorow ein Fahrzeug organisiert. Von seiner Festnahme wussten sie nichts.“ Katzenbaum machte eine Pause, um sich eine Zigarette anzuzünden. Tief inhalierte er den Rauch und stieß ihn durch die Nase wieder aus. „Bei den Kämpfern handelte es sich um Rafiq Abou-Khalil und Carmen Arndt.“
Mit leiser Genugtuung beobachtete er, wie die gleichgültige Maske vom Gesicht des Vizedirektors abfiel. Er kannte Binyamin Shalev seit vielen Jahren und wusste, dass Shalev stolz auf seine Selbstbeherrschung war. Aber das hier war einfach zu gut. Katzenbaum hatte es selbst kaum glauben können, als ihm die Zusammenhänge plötzlich bewusst geworden waren. Er nickte, wie um die Bedeutung seiner Aussage noch einmal zu unterstreichen. „Binyamin“, sagte er lächelnd, „glaub mir, ich habe es dreimal nachgeprüft. Denn wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich die beiden eigenhändig rekrutiert.“
6 Damaskus | Syrien
Morgensonne fiel durch die gedrechselten Holzgitter der Fensterläden, ein warmer Windstoß blähte die Vorhänge.
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