Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
antwortete Robertsson.
»War das die Sache wert?«, fragte Winter.
Robertsson blieb stumm.
»Ich gebe Ihnen eine ehrliche und höfliche Chance für eine Erklärung«, sagte Winter. »Normalerweise hätten wir Sie heute Nacht sofort in Untersuchungshaft nehmen können.«
»Warum haben Sie das nicht getan?«
Winter schwieg. Es gab keine Antwort. Außerdem hatte er nicht die Absicht, hier irgendwelche Fragen zu beantworten. Es war leicht, Fragen zu stellen, die wie ein Echo zurückkehrten, das war nicht gut.
»Es ist noch nicht zu spät«, sagte er.
»Ich dachte, es würde keine Rolle spielen«, sagte Robertsson.
»Was?«
»Dass ich nichts gesagt habe, ich habe ja auch nichts gesehen.«
»Wer ist die Person, die Robin gesehen hat?«
»Ich weiß es nicht. Das höre ich zum ersten Mal.«
»Haben Sie an den Tagen, wenn Sie die Zeitungen ausgetragen haben, jemanden aus dem Haus kommen sehen?«
»Nein, nie.«
»Ist Ihnen jemand von den Hausbewohnern begegnet?«
»Nein.«
»Nie?«
»Nein, nicht soweit ich mich erinnern kann. Ich bin unterwegs, wenn alle noch schlafen. Tagsüber war ich noch nie dort.«
»Wissen Sie, wie die Leute aussehen?«
»Ich habe sie nur auf den Fotos in der Zeitung gesehen. Ein Bild von … ihr. Ich erinnere mich nicht an ihren Vornamen. Stand der Vorname dabei?«
»Sind Sie dem Mann einmal begegnet?«
»War er auch in der Zeitung abgebildet?«
»Nein.«
»Dann weiß ich nicht, ob ich ihn schon mal gesehen habe.«
»Warum haben Sie Ihren Job Robin überlassen?«
»Manchmal brauche ich den Morgen für mich.«
»Warum?«
»Ich bin Quartalssäufer, wie man so sagt.«
»Im Augenblick scheinen Sie nüchtern zu sein.«
»Wahrscheinlich weil ich solchen Schiss habe.«
»Wovor haben Sie Angst?«
»Vor der Untersuchungshaft.«
»Sind Sie schon einmal in Untersuchungshaft gewesen?«
»Ja.«
»Weswegen?«
»Haben Sie das nicht überprüft?«
»Ich bin direkt hierhergekommen. Erzählen Sie.«
»Kleine Betrügereien. Einige kleine Verurteilungen. Unnötiger Kleinmist.«
»Beschäftigen Sie sich nur mit Kleinigkeiten?«
»Ja.«
»Diese Sache ist aber keine Kleinigkeit.«
»Ich habe nichts … damit zu tun.«
»Warum gerade Robin?«
»Was?«
»Warum hilft Ihnen ausgerechnet Robin, wenn Sie saufen?«
»Wir haben uns bei den Antialkoholikern kennengelernt.«
»Dann ist Robin also Alkoholiker?«
»Ein verdammt trockener Alkoholiker«, sagte Robertsson.
»Gut«, sagte Winter.
»Täusche ich mich, oder haben Sie nach Schnaps gerochen, als Sie kamen?«, fragte Robertsson.
»Robin hat sich bei uns gemeldet, als ich zu Hause gerade einen Whisky getrunken hatte«, sagte Winter. »Eine sehr gute Sorte, der Duft hält sich über Stunden.«
Robertsson nickte. Er akzeptierte es. Warum erklären?, dachte Winter. Ich habe es nicht nötig, etwas zu erklären. Er stand auf.
»Was passiert jetzt?«, fragte Robertsson.
»Gehen Sie schlafen. Wir melden uns wieder. Versuchen Sie nicht, aus der Stadt abzuhauen.«
»Ich bin doch nicht verrückt«, sagte Robertsson.
Er begleitete Winter zur Tür.
»Morgen arbeite ich wieder«, sagte er. »Und dann den ganzen Monat jede Schicht.«
»Wir werden ja sehen«, sagte Winter.
Die Absperrbänder vor dem Haus glitzerten im Schein einer Straßenlaterne wie Girlanden, als hätte jemand nicht mehr die Kraft gehabt, die Dekoration nach dem Fest einzusammeln, als würden alle noch schlafen. Es hatte aufgehört zu schneien. Winter war allein auf dieser Welt. Die Securitas war im Augenblick nicht da. Nichts rührte sich. In keinem Haus entlang der Straße brannte Licht. Hierher war er unterwegs gewesen, als er stattdessen auf dem Eis zwischen den beiden Inseln gelandet war. Jetzt war er hier. Er stand in der Diele. Im Haus roch es nach Stille und Kälte. Alle Konturen waren an ihrem Platz, als ob nichts passiert wäre.
Er stand in Gretas Zimmer. Die Spurensicherung hatte ihr Bett zurückgebracht. Er wusste zwar nicht, warum, aber er war froh, dass es dort stand, freute sich, weil es Leben bedeutete, weil es Leben beherbergt hatte, das es noch gab. Er schaute noch einmal hin, und das Bett war verschwunden. Es würde nie wieder hier stehen.
Er stand in Eriks Zimmer im Obergeschoss und versuchte herauszufinden, was das Zimmer ihm erzählen konnte, erzählen wollte, aber es war so entsetzlich still überall. Der Fußboden war leer, das Fenster. Vielleicht würde jemand anders erscheinen, jemand, der nicht hierhergehörte, der niemals hätte hier sein
Weitere Kostenlose Bücher