Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Rotwein sich aus wässrigem, saurem Matsch in einem Hähnchengericht irgendwann zwischen der ersten und zweiten Stunde auf dem Herd in eine sämige, dunkel zusammengesetzte Soße verwandelt. Man wusste nie, wann es passierte, ihm war es jedenfalls noch nie gelungen, den genauen Zeitpunkt festzustellen. Er griff nach dem iPhone, gab Bertils Kurzwahl ein und wartete, wartete ein Signal nach dem anderen ab. Bertil wollte sich vielleicht nicht melden. Es passte ihm nicht, dass Winter zurückgekommen war. Nein.
»Ja.« Schließlich Bertils Stimme, atemlos.
»Störe ich, Bertil?«
»Ja, ich habe in der Badewanne gelegen.«
»Nimmst du dein Telefon nicht mit ins Bad?«
»Scheint so.«
»Hast du dir diesen Fall von Körperverletzung auf dem Opaltorget vorgenommen?«
»Ja. Es hat keinen gegeben.«
»Ist er geisteskrank?«
»Wer ist das nicht?«
»Nächstes Mal hat er es vielleicht nicht nur geträumt.«
»Es wird kein nächstes Mal geben«, sagte Ringmar.
»Du glaubst, er ist unser Mann?«
»Jedenfalls hoffe ich das. Es ist noch zu früh. Was meinst du selber?«
»Wir werden noch viele Gespräche brauchen.«
»Er wird zusammenbrechen. Am Ende brechen alle zusammen.«
»Seine Paranoia ist ganz speziell«, sagte Winter.
»Er ist energisch.«
»Hmmm … ja, energisch.«
»Vielleicht ist er wie die Amerikaner«, sagte Ringmar. »Amerikaner halten Neurosen fälschlicherweise für Energie.«
»Wirklich?«
»In den meisten Fällen. Die Energie in New York City ist zum Beispiel nur Nervosität. Bist du schon mal in New York gewesen, Erik?«
»Bin ich nicht, das weißt du doch.«
»Fahr hin und fühle es selber. Ich bin dort gewesen und habe Martin besucht, als er einen Job in New York hatte, na, das weißt du ja.«
»Wirst du nach Kuala Lumpur fahren?«
»Ich werde nicht nach Kuala Lumpur fahren.«
»Weißt du, was das bedeutet, Bertil? Was der Name bedeutet?«
»Nicht auf die Schnelle.«
»Schmutziges Wasser, schwarzes Wasser.«
»Natürlich, Kommissar Besserwisser .«
»Ach nee.«
»War bloß ein Scherz.«
»Ha, ha.«
»Fahr nach Malaysia, Bertil.«
»Sobald das hier vorbei ist. Zufrieden?«
»Ich fliege morgen früh nach Marbella. Zwei Tage, ich hoffe nicht mehr. Siv hat Krebs, die bösartigste Form.«
»Oh. Das tut mir leid.«
»Danke.«
»Grüß sie von mir.«
»Das werde ich tun. Übernimmt Fredrik morgen die Vernehmung von Runstig?«
»Klar. Hast du was getrunken, Erik?«
»Warum fragst du?«
»Deine Stimme klingt so.«
»Das meinst du doch nicht im Ernst?«
»Vergiss es. Ja, Runstig. Und Aneta kümmert sich morgen um den Hintergrund von der Frau, Sandra. Ich werde wieder mit dem Mann sprechen, Jovan. In der Stadt. Bisher wurden noch keine Skandale in seiner Vergangenheit gefunden. Vielleicht gibt es keine Skandale. Was nun eigentlich ein Skandal sein mag.«
»Skandal ist allgemeine Erregung, Aufsehen, ein beschämendes Ereignis, Streit, Scham, Sensation, Ärgernis erregende Ereignisse.«
»Das ist kein Mord«, sagte Ringmar.
»Ich rufe vom Flughafen noch mal an«, sagte Winter und drückte auf Aus.
Irgendwann am Abend weinte er, einige Minuten, nachdem er das Telefongespräch mit Bertil beendet hatte. Das Weinen tat nicht weh. Es ging rasch vorüber. Er hörte Musik, sie übertönte die Zugpfeife zwischen seinen Ohren. Er ging wieder in die Küche. Seine kleine Mama hatte nicht gekocht, hatte nur dann in der Küche herumgepusselt, wenn sie Cocktails mixte. Sie war von eingelegten Kirschen begeistert, Cocktailkirschen – er war noch gar nicht alt gewesen, als er seine erste eingelegte Kirsche auf der Küchenbank probieren durfte. Sonst wäre sie in einem Manhattan herumgerollt, einem der starken Drinks, die in den Sechzigerjahren in waren: Bourbon, Martini Rosso, Angostura, Eis, Kirschen, kalt in einem gekühlten Cocktailglas serviert, ein Cocktail, der in eine andere Zeit gehörte, zu einer anderen Eleganz.
Sein Handy klingelte.
»Ja?«
»Gerda Hoffner. Ein Zeuge ist unterwegs ins Präsidium.«
Sie saßen in Winters Zimmer. Robin Bengtsson war schneller als erwartet gekommen, er war schon im Haus, als Winter aus dem Taxi stieg. Er kaute eine Pastille, die erste von vielen in dieser Nacht. Heute war es zwei Wochen her, seit sie die Toten gefunden hatten.
Robin Bengtsson sah ängstlich aus, vielleicht ein Zeichen, dass er normal war. Der Junge hatte lange Haare wie ein Hardrocker. Aus seinem Kragenausschnitt ragte eine Tätowierung, einige andere schlängelten sich aus
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