Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Raum musste gesammelt, gekennzeichnet, analysiert, durchleuchtet und obduziert werden, Speichelproben mussten genommen werden, aber es gab nur diese einzige erste Chance, erste Eindrücke wie diese, nicht die Rekonstruktion, Wiederholung, sondern dieses scharfe Bild, auf dem der Täter selber ihm erzählte, was geschehen war, in welcher Reihenfolge, wie es geschehen war, es ging eher um das, was fehlte, als um das, was am Platz war.
»Das Schlafzimmer.« Er drehte sich um und betrat das letzte Zimmer, das von der Diele abging. Die Tür stand offen. Das Erste, was er wahrnahm, war das tote Licht draußen. Es versuchte durch das einzige Fenster einzudringen – ein sinnloser Versuch, genauso sinnlos wie der Versuch, die Frau und das Kind, die auf dem Doppelbett lagen, das einen großen Teil des Raumes füllte, wieder zum Leben erwecken zu wollen. Die Menschen im Schlafzimmer waren sehr weit vom Leben entfernt, und das schon mehrere Tage, so viel verstand er von Kriminaltechnik, und derjenige, der sie um ihr Leben gebracht hatte, war keine Risiken eingegangen.
»Jesus«, hörte er Bertils Stimme hinter sich, wie eine Bestätigung seiner eigenen Gedanken.
Winter schwieg.
»Ich krieg keine Luft«, sagte Ringmar. Im selben Moment hörte Winter Geräusche vom Fenster. Zuerst glaubte er, jemand klopfe von draußen an die Scheiben. Aber es war ein Vogel, der gegen die Scheibe pickte; der Vogel wollte herein, vielleicht war er ein Freund des Mädchens, das auf dem Bett vor ihm lag. Komm hier nicht rein. Winter sah die Konturen des kleinen Vogelkörpers wie ein Schattenspiel. Komm niemals in dieses Zimmer.
Das Bett war gemacht, die Leichen lagen auf dem Bettüberwurf. Ihre Köpfe reichten nicht bis zu den Kopfkissen hinauf. Die Frau lag in einer eigentümlich gekrümmten Position, als ob sie Yoga machte. Das würde ihr jetzt nicht mehr helfen, vielleicht im Jenseits. Das Metall der Pistole war wie Eis an seiner Handfläche. Die Waffe war sinnlos, wie das Licht im frühen Februar, er könnte die Sig Sauer so oft abfeuern wie er wollte, ohne dass es für die Toten in diesem Haus etwas ändern würde. Konnte er selber noch etwas ändern? Das war es, weswegen er nach Hause zurückgekehrt war, sich nach Hause gesehnt, nach genau dem hier gesehnt hatte, der Jagd. Diese Jagd würde die größte von allen werden, sie begann in diesem Moment.
Der Welpe, der noch keinen Namen hatte, betrachtete ihn mit einem Blick, der alles oder nichts ausdrückte. Hinter den Augen eines Hundes verbirgt sich nicht viel Intelligenz und auch keine Erinnerung. Er bezweifelte, dass sich Hunde nach einigen Tagen überhaupt an etwas erinnern konnten, vielleicht nie. Er war kein Experte. Liv war auch keine Expertin, aber sie hatte sich gefreut, als er mit dem neuen Familienmitglied nach Hause gekommen war.
»Wie heißt sie?«
»Den Namen müssen wir uns selber einfallen lassen.«
»Ist das nicht seltsam?«
»Ich hab jedenfalls keinen Namen mitgekriegt.«
»Hoffentlich bin ich nicht allergisch«, sagte Liv.
»Wir testen es fünf Tage lang.«
»Habt ihr das so abgesprochen?«
»Ja. Die Frau ist allergisch. Ist es geworden, als sie sich den Köter angeschafft haben.«
»Dann können sie ihn doch nicht zurücknehmen.« Liv streichelte den Hals des Welpen. »Das brauchen sie auch nicht. Du bleibst hier, mein Freund.« Sie sah zu ihm auf. »Sie ist im Januar zu uns gekommen. Wir nennen sie Jana.«
Liv streichelte die Schnauze des Hundes. »Willkommen zu Hause, Jana.« Sie schaute auf. »War sie teuer?«
»Nein. Vier Hunderter, ein symbolischer Preis, hat die Frau gesagt, vor allen Dingen, um Idioten fernzuhalten, die die Anzeige gelesen haben.«
Er stand auf.
»Ich hab vergessen einzukaufen.«
»Es geht auch ohne«, sagte sie. »Ich hab sowieso keine Lust auf einen Film.«
»Aber ich brauche einen neuen Schraubendreher. Der alte ist kaputt.«
Die Leute von der Spurensicherung bewegten sich wie Marsmenschen durch das Haus. Draußen von dem weißen Rasen, wo er stand, sah Winter durch das Fenster die weißgekleideten Gestalten. Alles war vertraut und fremd zugleich. Er hörte einen Schrei, schaute hinauf und sah schwarze Vögel wie ein Netz am Himmel über dem Meer verschwinden. Es war der richtige Instinkt: Flieht aus dieser Hölle, so schnell und so angenehm wie möglich.
Bertils Blick war irgendwo anders. Winter sah Halders und Aneta aus einem Wagen der Fahndung steigen. Gut, dass sie hier waren. Sie würden alle zusammen sein, bis es
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