Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dunkle Muster

Das Dunkle Muster

Titel: Das Dunkle Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ganz anders. Er hatte glattweg vergessen, daß die Farbigen schon immer zahlreicher gewesen waren als die Weißen. Tatsächlich sah er für jedes weiße Gesicht, das ihm begegnete, mindestens zwei farbige. Und genauso ist es hier. Ich ziehe meine Hut vor Ihnen, Mr. Twain, Sie haben vorhergesehen, wie es kommen würde.
    Jetzt sitzen wir in unserm Flußtal, wissen nicht, warum und weswegen. Ratlos wie auf der Erde.
    Aber es gibt natürlich eine Menge Leute, die ganz genau wissen, weswegen wir hier sind. Da sind die beiden dominierenden Kirchen: die Chancisten und Nichireniten, tausend Sekten von reformierten Christen, Moslems, Juden, Buddhisten, Hindus und Gott weiß was sonst noch. Die ehemaligen Taoisten und Konfuzius-Anhänger sagen, daß ihnen alles scheißegal ist; dies hier sei ein besseres Leben als das vorherige, jedenfalls im ganzen gesehen. Jene, die an die Kraft von Totems glauben, sind ein bißchen irritiert, weil es hier keine irdischen Tiere gibt, was für sie natürlich nicht bedeutet, daß die Geister, die in ein Totem einfahren, nicht existieren. Eine ganze Reihe von denen, die an die Kraft von Totems glauben, beschwören, daß die Dinger ihnen in ihren Träumen erschienen sind, aber die Mehrheit von ihnen ist zu den »höheren« Religionen übergetreten.
    Dann ist da noch Nur el-Musafir. Er ist ein Sufi. Es hat ihn ebenso geschockt wie die anderen, als er auf dieser Welt wieder zu sich kam. Allerdings drehte er nicht durch, sondern paßte sein Denken der neuen Situation an. Er ist der Ansicht, daß wer immer auch diese Welt erschaffen hat, dabei nur Gutes im Sinn gehabt haben kann. Warum sonst hätten sie all diesen Ärger und Aufwand auf sich nehmen sollen? (In dieser Beziehung erinnert er mich an einen Marktschreier. Aber er ist durchaus ehrenhaft. Was natürlich nicht heißt, daß er weiß, über was er redet.)
    Seiner Meinung nach sollten wir uns nicht den Kopf darüber zerbrechen und höchstens nach dem Warum fragen. In dieser Beziehung hört er sich an wie ein Chancist. Aber ich sehe gerade, daß ich am Ende meiner Papierzuteilung angelangt bin. Deswegen: Adiau, Adios, Salah, Amen, Salaam, Shalom und so weiter. (Das englische so long stammt übrigens von Selang ab, so sprechen die malaiischen Moslems das arabische Salaam aus. Ja, man lernt nie aus!)
    Mit allerfreundlichstem Gruß stets der Deine:
     
    PETER JAIRUS FRIGATE
     
    PS. Ich weiß immer noch nicht, ob ich diesen Brief in toto abschicke, zensiere oder ihn einfach als Toilettenpapier benutze.
     

41
     
    Im Durchschnitt war der Fluß 2,4135 Kilometer breit. Manchmal verengte er sich zu einem Kanal, der keinerlei Ufer aufwies und an dessen Rändern sich steile Bergwände in den Himmel erhoben; manchmal erweiterte er sich aber auch zu einem See. Ungeachtet seiner unterschiedlichen Breiten betrug seine Tiefe in der Mitte an jeder Stelle ungefähr dreihundertfünf Meter.
    Nirgendwo war etwas davon zu bemerken, daß das Wasser an seinen Ufern eine Erosion hervorrief. Das auf der Ebene wachsende Gras verwandelte sich, je näher es dem Fluß kam, in ein aquatisches, das ins Wasser hineinwuchs. Sich über den Flußboden fortsetzte und auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kam. Die Wurzeln beider Grassorten waren dermaßen miteinander verwachsen, daß sie wie ein Teppich wirkten. Das Gras bestand nicht aus einzelnen Halmen; es war eine einzige, weitverzweigte Entität.
    Die Wasserpflanzen dienten einer Unzahl von Fischen, die entweder auf dem Grund des Flusses oder in höheren Zonen lebten, als Nahrung. Viele dieser Spezies bewegten sich vornehmlich in der Nähe des Wasserspiegels, und zwar in jenem Bereich, den das Sonnenlicht zu durchdringen vermochte. Andere, zwar hellere, aber kaum weniger gefräßige Kreaturen, tummelten sich in mittlerer Tiefe. In der Finsternis der Bodenzone wimmelte es nur so von haarsträubend aussehenden Lebensformen, die sich auf die unmöglichsten Arten davonbewegten.
    Manche fraßen sogar die leprös-weißen, wurzelähnlichen Dinger, die wie Blumen aussahen, oder wurden von ihnen umschlungen und verdaut. Wieder andere, ob groß oder klein, glitten unentwegt dahin, rissen ständig das Maul auf und verschlangen mikroskopisch kleines Leben, das ebenfalls in dieser flüssigen Atmosphäre existierte.
    Der größte Fisch aber, der alle anderen übertraf und mächtiger war als ein irdischer Blauwal, war jene gefräßige Kreatur, die man den >Flußdrachen< nannte. Zusammen mit einem viel kleineren Wasserbewohner

Weitere Kostenlose Bücher