Das Dunkle Netz Der Rache
durchgesessenes Sofa.
»Jetzt kann er weiterschlafen«, meinte Karen.
»Großartig.« Clare beugte sich hinunter und küsste Codys rosige Wange. »Ich gehe lieber zurück zu den anderen.«
»Oh!« Karen flitzte in den Flur und tauchte einen Moment später mit einem weiteren Stapel rosa Telefonnotizen wieder auf. »Die hätte ich fast vergessen. Für Sie.« Sie drückte sie Clare in die Hand.
»Alle?« Clare konnte nicht verhindern, dass man ihr den Schrecken anhörte.
»Die meisten sind von Willard Aberforth. Diözesan-Diakon Willard Aberforth.« Ihr übertriebener Bariton vermittelte Clare den Eindruck, dass Karen persönlich mit dem Diakon gesprochen hatte – und nicht besonders beeindruckt gewesen war.
»Ja, er hat mich diese Woche schon mal angerufen. Er sagte, er wolle sich mit mir treffen.«
»Er ist der Auftragskiller des Bischofs, wussten Sie das?«
»Karen!«
»Das ist mein Ernst. Eine der Aufgaben, die er im Auftrag des Bischofs erfüllt, ist, dafür zu sorgen, dass alles für den Jahresempfang vorbereitet ist. Zu seinen weiteren Aufgaben gehört, sicherzustellen, dass Priester und Gemeinden anständig spuren.« Sie beugte sich mit ernster Miene vor. »Seien Sie vor ihm auf der Hut, Clare. Sie haben in den letzten zwei Jahren mehr Aufmerksamkeit erregt und Kontroversen ausgelöst als Father Hames in zwanzig. Ich glaube nicht, dass der Bischof davon allzu begeistert ist.«
»Ich erwarte doch nicht die spanische Inquisition«, protestierte Clare schwach.
Karen verzog den Mund. »Niemand erwartet die spanische Inquisition«, sagte sie, das Zitat vollendend [2] . »Sehen Sie zu, dass Sie Aberforth aus dem Weg gehen. Er hat eine Menge mehr im Ärmel als einen Polstersessel.«
14:55 Uhr
Der Aufwachraum war ein offener Bereich mit sechs Betten, die weit auseinanderstanden, damit Notfallwagen und Ärzteteam genügend Platz hatten, falls es zum Schlimmsten kam. Nicht, dass es für die einzige Patientin des heutigen Tages nötig gewesen wäre. Sie hatte sich seit einigen Minuten unruhig hin und her geworfen, unregelmäßig geatmet und gelegentlich aufgestöhnt, gute Zeichen, dass sie im Begriff stand, vollkommen normal aus der Narkose zu erwachen.
Da sie die einzige Patientin war, war die Schwester bereit, als die junge Frau die Augen öffnete. Sie legte ihr Klemmbrett hin und steckte den Kuli in die Brusttasche.
»Wa…?«, krächzte die Patientin.
»Hallo, Becky.« Die Schwester beugte sich über sie, nicht zu nah, um das Mädchen nicht zu verwirren, aber nah genug, damit sie sie sehen und hören konnte. »Sie sind im Krankenhaus. Man hat sie mit inneren Blutungen eingeliefert. Sie wurden operiert, ihre Milz wurde entfernt.«
»Tut weh.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Das Gesicht des Mädchens war bleich, die sich rasch violett verfärbenden Blutergüsse an Kiefer und Schläfe stachen deutlich hervor. Jemand hatte ihr eine gewaltige Abreibung verpasst. »Dr. Gupta hat Ihnen Perocet verschrieben. Glauben Sie, dass Sie mit meiner Hilfe eine Tablette schlucken können?«
»Mund … trocken.«
»Das ist eine normale Folge der Narkose. Ist Ihnen irgendwie übel?« Sie griff hinüber zu dem Rollwagen aus Stahl, auf dem sie einen Becher mit Eiswasser bereitgestellt hatte.
»Nein. Durst.«
»Okay. Ich drücke jetzt auf den Schalter und fahre das Kopfteil hoch … Gut so? Nicht zu hoch?«
»Meine Schulter tut weh.«
»Das ist das Gas, das während der OP dringeblieben ist. Es wird in den nächsten Tagen noch ein bisschen unangenehm sein.«
»Ha … unangenehm.«
»Tja. Medizinisches Vokabular. Wir haben Angst, Sie völlig zu entmutigen, wenn wir Ihnen verraten, dass es höllisch schmerzen wird.«
Becky schluckte die Tablette. Die Schwester hielt ihr das Eiswasser hin, während sie mit einem Strohhalm trank.
»Erst mal nicht so viel. Dr. Gupta wird bald kommen, um nach Ihnen zu sehen, und wenn er sein Okay gibt, verlegen wir Sie in die Station. Dort kann Ihre Familie sie besuchen. Wenn Sie das möchten.« Sie hatte oft genug mit Opfern häuslicher Gewalt zu tun gehabt und wusste, dass Familienmitglieder mitunter die letzten Personen waren, die eine verprügelte Frau sehen wollte.
Becky schloss die Augen. Öffnete sie. »Polizei«, sagte sie. Ihr Gesicht zuckte. Sie versuchte, sich aufzusetzen.
»Sch.« Die Schwester legte beruhigend die Hand auf die Schulter der Frau. »Wir haben der Polizei schon Bescheid gesagt, dass Sie die Operation hinter sich haben. Sobald Sie sich gut genug zum Reden
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