Das Dunkle Netz Der Rache
zusammen. Wie läuft’s?« Die Quelle des appetitanregenden Dufts war eine große Backform, in der sich winzige Pasteten stapelten. »Die duften wunderbar. Kann ich eine haben?« Sie hatte bereits die Hand nach einer der Miniaturquiches ausgestreckt, als Courtney sie mit einer kühl gehobenen Braue ausbremste.
»Nur wenn Sie riskieren wollen, dass wir morgen beim Empfang nicht genug haben.« Courtney rümpfte die Nase. »Was riecht hier denn so?«
Sie spähte in den Ausguss. »Judy, hast du was Gammeliges runtergespült?«
Clare begab sich auf den taktischen Rückzug. »Was ist denn so im Kühlschrank?« Sie zog die Tür des Profikühlschranks auf. »Lieber Himmel, ihr wart aber fleißig.« Entrindete Brotviertel stapelten sich neben Schüsseln mit Thunfischsalat und dünn geschnittenem Schinken. In Speckscheiben gewickelte Schnitzel warteten auf den Bratrost. Winzige, perfekte Erdbeerkäseküchlein stießen an Miniaturspießchen, die nur noch aufgewärmt werden mussten. Und auf dem Ehrenplatz Clares eigener Vorschlag für das morgige Mittagessen: Teufelseier. Ihre Lieblingsspeise. Konnte sie ein oder zwei nehmen? Nur zum Probieren? Sie warf einen Blick über die Schulter. Courtney beobachtete sie.
»Ts, ts, ts«, mahnte die Frau. Seufzend schloss Clare die Tür.
Sabrina Campbell steckte einen Löffel in den Topf, in dem sie gerührt hatte, und hob ihn zum Mund, wobei sie darauf pustete. Es war, wie Clare schwindlig vor Verlangen bemerkte, Schokolade. »Wo sind Sie gewesen?«, fragte Courtney. »Wir haben Sie schon vor Stunden erwartet.«
»Ich hatte geglaubt, ihr wärt längst fertig. Ich meine, eigentlich bin ich auf dem Heimweg, ich muss duschen.« Clare wurde bewusst, dass dieses Bekenntnis nicht gerade das beste Licht auf sie warf. Sie zögerte, wollte nicht zu sehr ins Detail gehen. »Heute Morgen ganz früh hat der Rettungsdienst bei mir angerufen. Eine junge Frau ist in den Wäldern verschwunden. Ich bin eingesprungen, bis einer der erfahreneren Helfer mich ablösen konnte.«
»Nun, ich werde nicht mal anfangen, Ihnen zu erzählen, was für ein Alptraum das hier war«, sagte Courtney. Judy Morrison, deren Gesicht die jüngere Frau nicht sehen konnte, schnitt eine Grimasse; ob verärgert oder solidarisch, konnte Clare nicht feststellen. »Erst dieses furchtbare Durcheinander mit den Backformen für die einzelnen Quiches. Dann mussten wir zurück zum Laden, weil die Erdbeeren und Kiwis nicht mehr gut waren.«
»So viele waren gar nicht schlecht«, murmelte Judy.
Courtney machte weiter, als hätte sie nichts gehört. »Und dann gab es Probleme mit der Crème fraîche. Ich vermute, es war nicht der richtige Fettgehalt.«
Judy murmelte etwas, das klang wie »… wenn wir Schlagsahne genommen hätten …«
»Aber egal, jetzt ist es ja geschafft. Wollen Sie mit nach oben kommen und sich ansehen, wie weit die Dekorationen sind? Ich wollte gerade hoch.« Courtney nahm ihre Schürze ab. »Sabrina, könntest du wohl meine Remoulade im Auge behalten?«
»Hm«, erwiderte Sabrina, die eine Strähne ihres silbrigblonden Haars hinters Ohr steckte und die abgekühlte Schokolade probierte.
»Reverend?« Courtney hielt ihr die Küchentür auf. Clare riss ihren Blick von Sabrina Campbells mittlerweile blankem Löffel los und trottete der schnell laufenden Brünetten nach.
Courtney lief durch den dunklen Flur, vorbei am Heizungsraum, der Abstellkammer des Küsters, die nach Desinfektionsmitteln roch, und den verschlossenen Türen zu den Kellergewölben, dem unterirdischen Speicher der Kirche. Sie polterte, Clare auf den Fersen, die schmale Stiege hinauf und stürmte in die von Sonnenlicht erfüllte Gemeindehalle.
Lärm schlug über ihnen zusammen. Drei Frauen und zwei Männer banden Sträuße und unterhielten sich quer durch den Raum. Ein Urwald aus Blumen und Zweigen lag auf den mit Kunststoffdecken geschützten Tischen. Terry McKellan und Tim Garretson luden runde Klapptische von einem gewaltigen Karren und rollten sie an ihre Plätze, wobei sie rumpelten wie Hesekiels Feuerräder. Im Büro klingelte ein Telefon. Aus der Kirche konnte Clare den Chorleiter samt Chor hören, die ein besonders schwieriges Teilstück eines Chorals für die Abendandacht probten, den sie morgen um sechzehn Uhr singen wollten.
»Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren, meine geliebete Seele, das ist mein Begehren«, donnerten die Bässe, nur um von einem schrillen »Nein! Nein!« unterbrochen zu werden.
Die Mitglieder der
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