Das Dunkle Netz Der Rache
wie ein echter Arzt. Halb erwartete Clare, dass er ein Lied anstimmen würde.
Er lächelte und zeigte dabei ein perfektes weißes Gebiss. »Ich habe gute Neuigkeiten. Becky hat die Operation hinter sich, und es geht ihr gut. Wir konnten die Blutungen stoppen. In den nächsten Tagen müssen wir ihre Nieren im Auge behalten, aber sie ist jung und kräftig, und ich glaube, sie hat ausgezeichnete Chancen, ohne bleibende Schäden davonzukommen.«
Suzanne Castle brach in Tränen aus.
Dr. Gupta lächelte verständnisvoll. »Im Augenblick liegt sie im Aufwachraum«, sagte er zu Bonnie. »Wenn sie wieder zu sich gekommen ist, können Sie und Ihre Mutter zu ihr gehen und mit ihr sprechen.«
»Danke«, sagte Bonnie. »Vielen, vielen Dank.«
»Haben Sie irgendwelche Fragen?«
Clare äußerte ein knappes »Verzeihung« und zog sich ans andere Ende des Wartezimmers zurück, außer Hörweite. Sie fischte ihr Handy aus der Tasche. Glücklicherweise hatte sie sowohl die private als auch die Büronummer des Gemeindevorstandsmitglieds in ihrem Kurzwahlverzeichnis gespeichert. Unglücklicherweise nahm an beiden Anschlüssen niemand ab. Sie hinterließ dem Anwalt Nachrichten, sie so schnell wie möglich zurückzurufen. Dann wurde ihr klar, dass er vermutlich in St. Alban’s war, um bei den Vorbereitungen für den Besuch des Bischofs am nächsten Tag zu helfen. Sie sollte selbst dorthin fahren – persönlich mit Geoffrey Burns reden und den Freiwilligen zumindest ein bisschen zur Hand gehen.
Sie wollte gerade zu Suzanne und Bonnie zurückgehen und sich verabschieden, als ihr Handy »Ode an die Freude« spielte.
»Hallo?«, meldete sie sich.
»Ich bin’s«, sagte Russ.
»Ich dachte, du könntest Geoffrey Burns sein.«
»Was für eine grauenhafte Vorstellung. Warum?«
Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Castles und setzte sich mit dem Rücken zu ihnen hin. »Ich bin im Krankenhaus, mit Suzanne Castle und ihrer anderen Tochter. Sie haben mich gebeten, ihnen bei der Suche nach einem Anwalt für Ed zu helfen.«
»Aha.« Kurzes Schweigen. »Du hast es also gehört.«
»Wirst du ihn verhaften?«
»Keine Ahnung. Eine Menge hängt von der Autopsie ab. Wir wissen noch immer nicht genau, wie er gestorben ist.«
»Warum glaubst du, dass Ed es getan hat?«
»Ich bin nicht sicher, dass er es war. Er war im Haus, als ich eintraf. Sagte, er wäre einem der Pfade zum alten Teil des Camps gefolgt – die abgebrannten Gebäude, von denen ich dir erzählt habe!«
»Hm.«
»Er behauptet, er hätte Eugene dort gefunden. Im Gras.«
»Was hältst du davon?«
»Heute Nachmittag hat jemand die Schubkarre benutzt, um etwas Schweres vom Haus zu den alten Gebäuden zu transportieren. Im Pfad ist eine frische Furche, und im Reifenprofil der Karre klebt Dreck.«
»Du glaubst, Ed hat Eugene getötet und dann versucht, die Leiche zu verstecken?«
»Vielleicht. Wir warten darauf, dass die Spurensicherung eintrifft. Sie sollen Abdrücke nehmen, Fotos machen, Spuren finden. Wir werden sehen, was sie dazu meinen.«
»Wirst du Ed selbst vernehmen?«
Er seufzte tief. »Ich wüsste nicht, wem ich es sonst überlassen könnte.«
»Ich schon. Sag Lyle, er soll das übernehmen.« Russ’ Deputy Chief war der erfahrenste Mann der Truppe. »Du solltest das nicht machen müssen. Ed ist dein Freund.«
»Das glaube ich nicht. Nicht mehr.«
Ihr Herz schmerzte für ihn. »Oh, Russ.«
»Ich komm schon klar.«
»Hör auf.« Sie zog die Füße unter sich und kauerte sich zusammen, schloss den Rest der Welt aus. »Möchtest du darüber reden?«
Ein kurzes Schweigen entstand, und sie konnte Russ vor sich sehen, wie er sich unter seiner Brille die Nasenwurzel rieb. »Nicht jetzt. Kevin bringt Ed zum Revier, und ich muss hier warten, während die Spurensicherung den Tatort untersucht.«
»Später.«
»Wo wirst du sein?«
»Wenn die Castles mich nicht mehr brauchen, in St. Alban’s. Oder im Pfarrhaus. Ich habe noch gar keine Vorbereitungen für den Besuch des Bischofs morgen getroffen.« Sie bürstete ein angetrocknetes Klümpchen Herbstlaub von ihrer Hose. »Und für die Feier heute Abend auch nicht. Weiß Gott, ich muss dringend duschen.«
»Bist du heute Abend auch im neuen Hotel?«
»Ja. Mein Freund Hugh Parteger ist eingeladen. Er arbeitet für eine Investmentbank in New York. Du hast ihn letztes Jahr bei Paul und Emil kennengelernt.«
»Ah ja.« Russ klang alles andere als begeistert.
»Seine Firma hat in das Hotel investiert, deshalb kommt
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