Das Dunkle Netz Der Rache
Serienkillers vor sich, ehe ihr gesunder Menschenverstand die Oberhand gewann. Der Kill. Der Fluss. »Niemand wird Sie hören, also ruinieren Sie Ihre Stimme nicht damit, zu schreien.« Seine Gestalt verschwamm in der Dunkelheit am anderen Ende des Gebäudes. »Ich komme nachher wieder.« Seine Stimme schwebte durch das Zwielicht.
Sie erwartete, Licht hereinströmen zu sehen, als das breite Tor – eine Art Laderampe, wie sie jetzt erkannte – aufglitt. Stattdessen hörte sie das gedämpfte Fump und Klick einer weiteren, kleineren, unsichtbaren Tür. Sie war allein.
Sie wartete, rührte sich nicht. War das ein Trick? Wollte er mit ihr spielen, ehe er tat, was immer er mit ihr vorhaben mochte? Die Nähe zum Fluss eröffnete mehrere unangenehme Möglichkeiten. Jetzt, da ihre geballte Aufmerksamkeit nicht mehr ausschließlich ihrem Kidnapper galt, konnte sie ihn deutlicher vernehmen. Wasser gurgelte und schwappte direkt unter dem Holzboden, und von links hörte sie ein stetes Dröhnen und Zischen, Wasser, das rasch über ein Hindernis stürzte.
Sie wartete weiter. Die Minuten vergingen. Flügel schlugen über ihr. Vögel. Sie hoffte, dass es sich um Vögel handelte. Die Vorstellung, nach Sonnenuntergang in diesem hallenden Raum zu sitzen, umgeben von fliegenden Geschöpfen, die keine Vögel waren … sie schauderte. Dann riss sie sich zusammen. Das lag in der Zukunft, oder? Zumindest würden bis dahin noch einige Stunden vergehen.
Ihr schmerzendes, empfindliches, hoffnungsvolles Herz ließ sich wieder in ihrer Brust nieder. Er war wirklich fort. Sie hatte Zeit. Sie hatte ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten. Und in ihrem Ärmel steckte nach wie vor die Eisenschraube von der Türangel. Sie stand auf, eine Bewegung, die von einer Kiste aus viel einfacher war als vom Fußboden. Sie sollte anfangen.
14:35 Uhr
John Huggins war auf hundertachtzig. »Sie meinen, es war gar nicht Millie van der Hoeven?«
»Nein«, erwiderte Russ zum dritten Mal. Er befand sich in van der Hoevens Arbeitszimmer, saß im Stuhl des toten Mannes, benutzte das Telefon des toten Mannes. Im Augenblick war er kein glücklicher Mann.
»Na, ich will verdammt sein.« Huggins schwieg kurz. »Ich habe nicht so einfach beschlossen, die Suche abzublasen, wissen Sie. Van der Hoeven hat mir mitgeteilt, seine Schwester sei gefunden worden. Wenn hier jemand Mist gebaut hat, dann er.«
Russ rieb sich unter der Brille die Nasenwurzel. »Eugene hat … sich geirrt. Ist die Suchmannschaft geschlossen aufgebrochen? Oder sind Sie nach und nach gefahren?«
»Nein, ehe wir eine Suche abblasen, zählen wir immer die Leute durch und kontrollieren die Ausrüstung. Wir sind alle gleichzeitig aufgebrochen.«
»Um welche Uhrzeit war das?«
»Gegen elf Uhr dreißig.«
Genau zu der Zeit war Becky Castle mit dem Krankenwagen in die Stadt gebracht worden. »Hat jemand von Ihnen Eugene van der Hoeven gesehen?«
»Sicher. Er kam raus und hat sich bei uns für die Hilfe bedankt.«
»War er drinnen oder draußen, als Sie gefahren sind?«
»Im Haus. Er ging hinein, nachdem er mit uns gesprochen hatte. Ich nahm an, er würde sich fertig machen, um zu seiner Schwester ins Krankenhaus zu fahren.«
»Ist noch jemand von Ihrer Mannschaft im Haus gewesen, ehe Sie alle losgefahren sind?«
Neben dem Telefon lag ein Stapel Kataloge. Russ nahm den obersten zur Hand. Jagdausrüstung. Er blätterte noch ein paar durch. L. L. Bean, Eddie Bauer, Militärklamotten. Das ergab Sinn. Ein Mann wie Eugene van der Hoeven mit seiner krankhaften Angst, Haus und Grund zu verlassen, erledigte vermutlich seine gesamten Einkäufe per Telefon.
»Nein. Was, zum Teufel, ist denn los?«
Russ zog einen weiteren Katalog heraus. »Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ist Ihnen etwas Seltsames oder Ungewöhnliches aufgefallen, überhaupt irgendetwas, zwischen dem Ende der Suche und Ihrem Aufbruch?«
»Nein.« Huggins zögerte, dann sagte er: »Doch. Gewissermaßen. Auf der Strecke zum Highway kam mir ein Auto entgegen. Nicht eigentlich entgegen. Es war so weit wie möglich zum Fahrbahnrand ausgewichen, um uns vorbeizulassen. Wir waren eine ziemlich lange Kolonne.«
»Was für ein Auto?«
»Ein schwarzer Mercedes. Sah ziemlich neu aus, aber Sie wissen ja, wie das ist. Schwer zu sagen.«
»Haben Sie das Modell erkannt?«
Huggins lachte. »Komme ich Ihnen wie ein Mann vor, der häufig um Mercedeslimousinen herumschleicht? Fragen Sie mich nach Chevys, da kenne ich mich aus. Es war eine viertürige
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